Regierungschef Ludovic Orban führt das liberale Minderheitskabinett an.

Foto: AFP/DANIEL MIHAILESCU

Bukarest – In Rumänien haben die oppositionellen Sozialdemokraten (PSD), die im Parlament nach wie vor die Mehrheit halten, am Montagnachmittag einen schon seit Monaten angedrohten Misstrauensantrag gegen das liberale Minderheitskabinett unter Regierungschef Ludovic Orban eingebracht.

Für Orban und dessen "inkompetente" Regierung sei es "an der Zeit, abzudanken oder in den Knast zu wandern", so PSD-Interimschef Marcel Ciolacu wörtlich. Der Vorstoß der Sozialdemokraten erfolgt inmitten stetig steigender Corona-Neuinfektionen im Land, nur wenige Wochen vor der für den 27. September angesetzten Kommunalwahl und knapp vier Monate vor der voraussichtlich Anfang Dezember steigenden Parlamentswahl.

Die Beweggründe der PSD sind rein wahlkampftaktisch begründet: Zum einen will Interimschef Ciolacu vor dem am Samstag steigenden außerordentlichen Parteitag, auf dem die PSD ihre neue Führungsriege wählen will und er selbst für das Amt des Parteivorsitzenden antritt, den "starken Mann" markieren; zum anderen hofft die PSD angesichts der beiden anstehenden Urnengänge, ihre mauen Umfragewerte damit um einige Prozentpunkte zu verbessern.

"Krasse Inkompetenz"

Der liberalen Minderheitsregierung werfen die Sozialdemokraten "krasse Inkompetenz" bei der Eindämmung der Epidemie sowie überteuerte Corona-Beschaffungen vor. Die Vorwürfe sind größtenteils unbegründet, da die epidemiologische Situation im Land erst aus dem Ruder lief, nachdem das als PSD-nah geltende Verfassungsgericht Anfang Juli den gesamten Rechtsrahmen für epidemiologische Notfälle für nicht verfassungskonform befunden hatte. Zwar erarbeitete die Regierung Orban daraufhin im Eiltempo eine neue Gesetzesvorlage für Quarantäne- und Absonderungsmaßnahmen, doch blockierte die PSD daraufhin deren Verabschiedung wochenlang im Parlament, während der Exekutive im Kampf gegen die Epidemie die Hände gebunden blieben.

Wann genau die Misstrauensabstimmung stattfinden wird – ob noch vor oder erst nach dem außerordentlichen Parteitag der PSD am Wochenende -, ist noch unklar. Absehbar ist indes, rumänischen Politbeobachtern zufolge, ihr Ausgang, zumal nach Angaben von PSD-Interimschef Ciolacu das liberale Minderheitskabinett "mit mindestens 250 Stimmen gestürzt werden wird" – ergo mit deutlich mehr Stimmen als die nötigen 233. Der Misstrauensantrag wird von den beiden Satelliten-Parteien der PSD – ALDE und Pro Romania – mitgetragen; gemeinsam kommen die drei Fraktionen auf eine bequeme Mehrheit im Parlament.

"Ordinäres Politspielchen"

Staatspräsident Klaus Johannis verriss das Vorgehen der PSD inmitten der Corona-Epidemie als "ebenso populistisch wie sinnlos", ihr "ordinäres Politspielchen" sei "ausschließlich wahlkampfpolitisch begründet". Die Parlamentswahl steige in wenigen Monaten, "weshalb jetzt noch einen Misstrauensantrag einbringen? Bloß um zu zeigen, dass man weiter über eine Mehrheit verfügt?", fragte Johannis rhetorisch auf einer Pressekonferenz. Fest stehe jedenfalls bereits im Voraus, dass es "keine weitere PSD-Regierung geben wird", fügte Rumäniens Staatsoberhaupt hinzu. (APA, 17.8.2020)