Seit Jahren ist Artificial Intelligence (AI) das zentrale Schlagwort in den Informationstechnologien. Zumeist ist damit eine automatische Mustererkennung in Daten auf Basis neuronaler Netzwerke und von Machine-Learning gemeint. Die Methoden gaben Computersystemen viele neue Fähigkeiten. AI-Systeme erkennen Gesichter auf Handyfotos und Tumoren auf Röntgenaufnahmen, sie helfen autonomen Autos bei der Navigation oder in Industrieanlagen bei der Qualitätsprüfung von Werkstücken.

Wilfried Wöber, Experte für Artificial Intelligence und Trampolinspringen.
Foto: Privat

Vielleicht gerade wegen der vielfältigen Einsetzbarkeit der neuen Technologie werden ihre Grenzen oft auch falsch wahrgenommen. "Das Problem, dass AI überschätzt wird, begleitet die Technologie seit ihrem Anbeginn", sagt Wilfried Wöber vom Kompetenzfeld Digital Manufacturing & Robotics der FH Technikum Wien. "Potenzielle Anwender gehen oft davon aus, dass AI eine Herausforderung selbstständig erkennen und lösen kann – was natürlich nicht der Fall ist."

Sinnvolle Anwendungen

Wöber leitet das Projekt "AI anwenden und verstehen", gefördert von der für Wirtschaft, Arbeit und Statistik zuständigen MA 23 der Stadt Wien. Dabei geht es darum, in den Unternehmen Aufklärungsarbeit zu leisten und den Verantwortlichen dort "zu zeigen, was künstliche Intelligenz wirklich ist und was man damit machen kann", sagt der Forscher. Derzeit kooperiert er im Projekt mit etwa 50 Unternehmen.

Einerseits sollen sinnvolle Anwendungen der neuen Technologien "für reale Probleme" in den Unternehmen gefunden werden – am besten "in Bereichen, in denen man heute noch gar nicht an AI denkt", betont Wöber. Auf der anderen Seite soll das Thema aber auch entmystifiziert werden. Die Unternehmen sollen auf Basis ihres neu erworbenen Know-hows selbst entscheiden können, ob die Technologie für sie von Bedeutung ist. "Der Bäcker von nebenan kann Sensoren installieren, um zu zählen, wann er wie viel Kundenfrequenz hat. Die Frage ist, ob sich diese Information für seine Geschäftstätigkeit tatsächlich auszahlt", gibt der Forscher ein Beispiel.

Biodiversitätsforschung

Die Hard- und Softwareindustrie, die ihre Produkte absetzen möchte, finde oft auch dort Anwendungen, wo sie nicht unbedingt Mehrwert bieten, sagt Wöber: "Viele Probleme in der Produktion kann man sehr gut auch mit klassischen Methoden der Automatisierungstechnik lösen."

Neben seiner Arbeit an der FH Technikum schreibt der 1987 in Wien geborene Forscher mit Studienabschluss in Mechatronik und Robotik seine Dissertation an der Wiener Boku. Dort geht es darum, AI im Dienste der Biodiversitätsforschung einzusetzen. "Ich nutze die Technologie, um Tierfotos zu analysieren. Konkret geht es um Fische in Afrikas Seen", sagt Wöber. "Biologen sollen dank der resultierenden Daten ergründen können, warum Populationen derselben Spezies an verschiedenen Ort anders aussehen."

Neben jener als Forscher macht Wöber noch eine Karriere ganz anderer Art: Er trainiert Trampolinturner, die bei ihren bis zu zwölf Meter hohen Sprüngen Salti und Schrauben vollführen. Bis zum Alter von 14 Jahren war er selbst aktiv, seit 19 ist er Lehrwart und führt junge Athleten zu Weltmeisterschaften und Olympischen Jugendspielen – vielfach mit Topergebnissen. (Alois Pumhösel, 20.8.2020)