Manche werfen freiwillig ihre alte Heizung weg.

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Die Hälfte des Energieverbrauchs in Europa geht für Heizen und Kühlen drauf. Rund zwei Drittel der in stallierten Heizsysteme – in Summe 80 Millionen Stück – sind zudem ineffizient. Um die Klimaziele zu erreichen und Europa unabhängig von Öl, Gas und auch Kohle zu machen, sind Änderungen in diesem Sektor unausweichlich, sagen Experten.

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) hat den Ball auf genommen und ein gestaffeltes Programm zum Austausch von Öl- und Gasheizungen vorgelegt. Der entsprechende Gesetzentwurf sieht Förderungen im Volumen von 400 Millionen Euro vor, die 2021 und 2022 in die Ökologisierung der Heizsysteme fließen sollen. Konflikte sind vorprogrammiert.

In Österreich verwenden rund eine Million Haushalte, das sind 27 Prozent, Gas als häufigsten Energieträger, gefolgt von Fernwärme (25 Prozent). Insgesamt sind im Land 3,8 Millionen Heizsysteme installiert. Biomasse ist mit 16,2 Prozent Spitzenreiter bei den Alternativen. Mit Öl heizen noch 600.000 Haushalte, vorwiegend auf dem Land. Was spricht für, was gegen den Tausch?

FÜR

Die nächste Heizsaison kommt schneller, als man denkt. Damit einher geht die Frage: Heize ich (umwelt)politisch korrekt? Alle seriösen wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen, dass der beste Verbrauch kein Verbrauch ist. Die Dämmung der eigenen vier Wände sollte folglich Priorität haben, bevor an ein neues Heizungssystem gedacht wird. Schließlich handelt es sich um eine Investition, die von ein paar tausend bis zigtausend Euro gehen kann.

Fakt ist auch, dass Kohle-, Öl- und Gasheizungen schlecht für das Klima sind. Kohle mag vernachlässigbar sein, zumal nur noch 18.000 Haushalte in Österreich damit heizen. Anderswo – etwa in Polen oder in China, um den absolut größten Kohleverbrenner zu nennen – sieht es schlimmer aus.

Mit Öl heizen noch 600.000 Haushalte in Österreich.
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Für ein schrittweises Verbot von Öl- und Gasheizungen spricht, dass allein in Österreich mehr als 1,6 Millionen Haushalte (gut 42 Prozent) noch mit Energieträgern heizen, die beim Verbrennen CO2 emittieren und zur Erderhitzung beitragen. Schon heuer sollen laut türkis-grünem Regierungsprogramm keine Ölheizungen mehr in Neubauten installiert werden, ab 2021 auch bei einem Heizungswechsel nicht mehr.

Schluss mit lustig

Ab 2025 schließlich soll der Austausch von Kesseln, die mehr als 25 Jahre alt sind, verpflichtend werden. Von der Branche selbst wurden seit 2009 rund 5000 neue Ölheizungen mit einer Investitionsförderung unterstützt. Spätestens 2035 sollen laut Regierungsprogramm alle derzeit noch in Betrieb befindlichen rund 600.000 heimischen Kessel aus dem Wärmemarkt verschwunden sein. Für den Neueinbau von Gaskesseln ist ab 2025 ein Verbot vorgesehen. Ob und wann Gasthermen aus Häusern und Wohnungen verschwinden müssen, ist derzeit noch unklar. Klimaschutzministerin Gewessler hat mehrfach betont, dass es sich beim Gasausstieg um ein langfristigeres Thema handle als bei Heizöl.

Für den Ausstieg aus Öl und Gas spricht auch die Abhängigkeit von Importen. Dies ist umso mehr von Belang, als Öl und Gas vorwiegend aus Regionen kommen, die wie der Nahe Osten oder Russland nicht unbedingt vertrauenserweckend sind. Die Produktion von Öl und Gas im Land ist seit Jahren rückläufig, die Abhängigkeit von Importen nimmt zu. Zuletzt hat Österreich an die acht Milliarden Euro für Öl- und Gaseinfuhren ausgegeben.

Die Botschaft, dass Öl und Gas nicht die Heizträger der Zukunft sind, sei in den Köpfen angekommen, sagt Karina Knaus. Die Leiterin des Centers Volkswirtschaft, Konsumenten und Preise in der Österreichischen Energieagentur verantwortet "Replace". Ziel des von der EU im Rahmen des Forschungsprogramms Horizon 2020 finanzierten Projekts ist es, Menschen in neun unterschiedlichen Staaten zu motivieren und zu unterstützen, ihre alten Heizungsanlagen durch umweltfreundlichere Alternativen zu ersetzen.

Erfahrungen aus dem Land Salzburg zeigten, dass Rundumsorglospakete wohl das beste Mittel seien, diesen Prozess zügig voranzubringen, sagt Knaus. Förderungen sollte man so konzipieren, dass es sie langfristig gibt. Andernfalls könnte es zu einem Wettlauf um das Geld kommen und zu einer Überhitzung des Marktes.

WIDER

Nicht umsonst sind Gasheizungen die in Österreich am weitesten verbreitete Heizungsart. Sie halten seit Jahren insbesondere in Ballungsräumen einen hohen Marktanteil, weil sie, einmal eingebaut, ohne große Nebengeräusche funktionieren.

Und sie sind effizient, zumal wenn es sich um Brennwertgeräte handelt, die auch noch den Abgasen der Verbrennung Heizwärme entziehen. Seit die Gaspreise liberalisiert sind und es Wettbewerb gibt, ist Gas auch in preislicher Hinsicht eine gute Option. Man kann außerdem jederzeit den Anbieter wechseln.

Ähnlich komfortabel ist, falls die Anschlüsse vorhanden sind, nur Fernwärme. Rund 900.000 Österreicher und Österreicherinnen nutzen sie, haben aber den Nachteil, im Fall des Falles zu keinem preisgünstigeren Konkurrenten wechseln zu können. Mitgehangen heißt hier mitgefangen.

Jeder vierte Haushalt setzt auf Fernwärme.
Foto: Schedl

Während Gasheizungen und Fernwärme in Ostösterreich überproportional vertreten sind, gibt es in Westösterreich eine Vorliebe für Heizöl. Ölkessel sind besonders häufig im Eigentum zu finden, sie werden überdurchschnittlich oft von Paarhaushalten in Pension verwendet. Das hat eine Studie der Wirtschaftsuniversität Wien im Auftrag der Arbeiterkammer ergeben.

In der Regel werden veraltete Heizsysteme dann getauscht, wenn sie nicht mehr funktionstüchtig sind oder kurz vor einem Ausfall stehen. Gerade Menschen, die an ihrem Lebensabend angelangt sind, wollen und sollen sich die Kosten und Scherereien eines Wechsels des Heizungssystems nicht mehr antun müssen.

Außerdem steuert man sehenden Auges auf einen Engpass zu, der es fraglich macht, ob der Ausstieg aus Öl und Gas wie erhofft zum Erfolg führt. Schon jetzt sind Installateure Mangelware. Das hat Karina Knaus von der Energieagentur beim Pilotprojekt "Replace" in Salzburg aus zahlreichen Interviews destilliert. Knaus: "Installateure, die früher fünf bis zehn Lehrlinge im Betrieb hatten, haben inzwischen vielleicht noch zwei."

Leitungsnetz nutzen

Wurden österreichweit bisher pro Jahr 15.000 bis 20.000 Ölkessel getauscht, müssten es laut Ausstiegszielen der Regierung künftig gut doppelt so viele sein – an die 100 Kessel täglich. Und das bei weniger Elektrikern und voraussichtlich weniger Installateuren.

Bei Gas wartet der zuständige Fachverband mit einem weiteren Einwand auf: Mit dem generellen Verbot von Gasheizungen werde ein kostengünstiger Umstieg auf erneuerbares, umweltfreundliches Gas verhindert und eine milliardenschwere Infrastruktur, das tausende Kilometer umfassende Leitungsnetz, mit einem Schlag entwertet. Die Proponenten plädieren für Biogas aus Abfällen in der Land- und Forstwirtschaft, der Lebensmittelindustrie und aus Klärschlamm. Der CO2-neutrale Energieträger könne in bestehende Leitungen eingespeist werden, ohne die Haushalte mit Extrakosten für ein neues Heizungssystem zu belasten.

Abgesehen davon, dass es gerade in Altbauten, wo besonders oft mit Gas geheizt wird, gar nicht einfach ist, einen anderen Energieträger zu implementieren – außer Fernwärme. (Günther Strobl, 19.8.2020)