"Schauen Sie, mir ist es relativ egal", fand FPÖ-Chef Norbert Hofer zur Frage, ob sein Vorgänger Heinz-Christian Strache bei der Wien-Wahl antreten darf.

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Ausgefeilte, faire und detaillierte Compliance-Regeln könne man nicht binnen zwei Wochen erarbeiten, sagte FPÖ-Chef Norbert Hofer in seinem ORF-Sommergespräch. Ja, eh. Aber seit dem Auftauchen des Ibiza-Videos sind mittlerweile nicht zwei, sondern 65 Wochen vergangen. Das sollte eigentlich schon ausreichen, um ein vernünftiges Regelwerk gegen Korruption und Vorteilnahme auszuarbeiten.

Aber wer weiß, vielleicht setzt die FPÖ mit ihrem neuen Regelwerk tatsächlich globale Standards im Kampf gegen Bestechlichkeit. Oder vielleicht braucht es für die vielen Parteimitglieder auch konkrete Handlungsanweisungen.

Beispielsweise: Wenn ich auf Ibiza eine Oligarchennichte treffe, die über die Kronen Zeitung reden will, dann ... Oder: Welche Aufträge man einem Bodyguard, der Rachegedanken hegt, lieber nicht gibt.

Fakt ist aber ohnehin, dass jedwede Compliance-Regelung keinen Sinn ergibt, solange die FPÖ sich nicht transparent mit ihren Altlasten beschäftigt hat. Die betreffen vor allem die FPÖ Wien. Dort ist das System Strache weiterhin präsent, nur ohne Strache. Die beiden Listenersten Dominik Nepp und Maximilian Krauss sind Produkte der Ära Strache und beide auch Ibiza-erfahren – wenn auch ohne Oligarchinnen.

Zahlungen würden interessieren

Die größte Chuzpe ist ja, dass Nepp, Krauss und Gudenus in Whatsapp-Chats selbst darüber diskutierten, wie korrupt Strache sei – es gilt die Unschuldsvermutung. In einem Chatgespräch über die Aufstockung des Privatklinikenfonds unter Türkis-Blau nach vorheriger Parteispende eines Privatklinikenbetreibers an die FPÖ meint Nepp: "Die Zahlungen dahinter würden mich interessieren." Da ist er nicht der Einzige.

Genauso interessant wäre aber, wer von Straches angeblichen Malversationen gewusst hat. Wer hat einen Blick auf das Spesenbudget geworfen? Wer wusste von Philippa Straches Anstellung samt außergewöhnlich hohem Gehalt? Wer genehmigte den Mietkostenzuschuss für Straches Villa in Klosterneuburg?

Von der Casinos-Affäre ganz zu schweigen. Ebenso vom blauen Vereinsnetz, dessen zentrale Figur, Markus Tschank, Nepp noch zum Finanzreferenten der FPÖ Wien machen wollte. Und warum lagerte die FPÖ Wien wirklich Goldbarren in ihrer Pension Enzian in Osttirol?

Viel Platz für Spekulationen

All das hätte die FPÖ (Wien) in den vergangenen zwölf Monaten transparent aufarbeiten können, um sich wahrhaftig von der Ära Strache zu verabschieden. Dass das nicht geschehen ist, lässt viel Platz für Spekulationen über etwaige Mitwisserschaft. Oder über Munition, die Strache seinerseits gegen die ehemalige Partei in der Hand hat.

Da darf man sich nicht wundern, dass dem Dritten Lager zugeneigte Wähler überlegen, ihr Kreuz bei Strache zu machen. Wenn die FPÖ nicht aus dem Strache’schen Sumpf steigen kann, dann kann man ohnehin das Original wählen.

Es gibt entweder mutige oder alte Piloten: Auch das sagte FPÖ-Chef Norbert Hofer im ORF-Sommergespräch. Und nach dieser Devise wolle er auch Politik betreiben. Aber was die FPÖ jetzt braucht, ist jemanden, der den Flieger mit riskanten Manövern vor dem Sinkflug bewahrt.

Wenn es so weitergeht und die FPÖ nach der Wien-Wahl vor den Trümmern ihres Nichtstuns steht, dann werden sich auch in der Partei die Stimmen mehren, doch den Piloten auszutauschen. (Fabian Schmid, 18.8.2020)