Optisch mit Mäusen verwandt, genetisch aber mit Elefanten: Dies ist das erste Foto einer lebenden Somali-Elefantenspitzmaus überhaupt.
Foto: Steven Heritage / Global Wildlife Conservation / AFP

Freudige Überraschung für Zoologen: Am Horn von Afrika haben sie ein kleines Säugetier entdeckt, das man zuletzt in den 1970er-Jahren gesichtet hatte. Man hatte es schon für ausgestorben gehalten, und die Organisation Global Wildlife Conservation führte es auf ihrer Liste der "25 meistgesuchten verlorenen Arten". Die Rede ist von der Somali-Elefantenspitzmaus (Galegeeska revoili). Dieser Name täuscht aber gleich in mehrfacher Hinsicht, dahinter verbirgt sich ein weiteres Beispiel für die verschlungenen Pfade der Evolution.

Verwandte in anderer Größenordnung

Denn so wie Spitzmäuse keine Mäuse sind, sind Elefantenspitzmäuse keine Spitzmäuse – diese Bezeichnungen gehen auf rein oberflächliche Ähnlichkeiten zurück. Elefantenspitzmäuse sehen aus wie Mäuse mit 20 bis 30 Zentimeter Körperlänge (die Hälfte davon entfällt auf den Schwanz), verlängerten Hinterbeinen und vor allem einem kleinen Rüssel. Dieses Merkmal teilen sie mit ihrer eigentlichen Verwandtschaft, den Rüsselspringern oder Sengis – und mit einigen entfernteren Cousins von deutlich größerer Statur: Elefanten, Seekühen und Erdferkeln.

All diese Tiere gehören zu den Afrotheria, einem Zweig der Säugetiere, der sich in der Isolation Afrikas entwickelt hat, als der Kontinent noch nicht mit Eurasien verbunden war. Ähnlich wie die Beuteltiere Australiens entwickelten die Afrotheria eine Reihe sehr unterschiedlicher Körperbaupläne, um die vorhandenen ökologischen Nischen auszunutzen. Diese konvergente Evolution brachte unter anderem Pendants zu Maulwürfen, Ameisenbären oder Ottern hervor. Als die Isolation Afrikas endete, zogen nur die Riesen dieser parallelen Fauna – Elefanten und Seekühe – in die Welt hinaus, der überwiegende Rest blieb in der Urheimat.

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Zu diesen Nesthockern gehören auch die Sengis, die mit 20 Arten über weite Teile Afrikas verbreitet sind. Sie ernähren sich von Insekten, Spinnen und Würmern wie die Insektenfresser auf anderen Kontinenten. Anders als Igel und Co sind sie mit ihren langen Beinen aber ausgesprochen gut im Rennen und Springen.

Die meisten Sengi-Arten haben die Ausbreitung des Menschen bislang gut überstanden – nicht zuletzt deshalb, weil sie häufig in kaum nutzbaren Trockengebieten leben. Ein paar Arten gelten aber als bedroht, und bei der Somali-Elefantenspitzmaus schien die Gefahr auszusterben bereits Realität geworden zu sein. Dass das Tier nun in der Region Assamo in Dschibuti wiederentdeckt wurde und sogar für die allerersten Fotos seiner Art posierte, kam daher als freudige Überraschung. Die Art hat in der trockenen, felsigen Landschaft der Region offenbar jahrzehntelang völlig unbemerkt überdauert.

Mit Erfolg angelockt

Wiederentdeckt wurde die Art bei einer Expedition im vergangenen Jahr – die Bekanntgabe erfolgte nun parallel zu einem Fachartikel im Magazin "PeerJ". Wie das Team um Steven Heritage und Houssein Rayaleh darin berichtet, schätzt die Somali-Elefantenspitzmaus offenbar Stabilität: Männchen und Weibchen führen eine lebenslange monogame Beziehung und verbleiben ebenso lange in einem recht kleinen Revier.

Die Forscher hatten an mehreren Orten über 1.200 Fallen ausgelegt, die mit einer verlockend duftenden Mischung aus Erdnussbutter, Haferbrei und Germ präpariert waren. Insgesamt tappten zwölf Tiere in diese Lebendfallen – das ist eine beachtliche Ausbeute, wie Rayaleh betont: Normalerweise sei es bei solchen Expeditionen schon ein Glücksfall, wenn man auf ein oder zwei Exemplare stoße. Offenbar gebe es in Dschibuti eine gesunde Population des vermeintlich ausgestorbenen Tiers.

Und das ist kein Einzelfall. Global Wildlife Conservation weist darauf hin, dass in den vergangenen Jahren mehrere Spezies wiederentdeckt wurden, die man schon für ausgestorben hielt: etwa der Vietnam-Kantschil, eines der kleinsten Huftiere der Welt, oder die Wallace-Riesenbiene aus Indonesien. Die Organisation hegt daher die Hoffnung, dass auch noch andere verloren geglaubte Tierarten wieder auftauchen könnten. (jdo, 19.8.2020)