Mitten in der Corona-Krise kündigte US-Präsident Donald Trump den Vertrag mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

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Ausgerechnet auf dem Höhepunkt der Corona-Krise machte Donald Trump seine Drohung wahr: Er kündigte den Vertrag zwischen den USA und der Weltgesundheitsorganisation. Die WHO stehe aufseiten Chinas und habe deswegen zu spät und unzureichend auf die Pandemie reagiert, lautet der Vorwurf des US-Präsidenten. Die Kündigungsfrist beträgt ein Jahr. Damit könnte der Austritt der USA im Juli 2021 vollzogen werden – vorausgesetzt, der nächste amerikanische Präsident heißt erneut Donald Trump.

Sollte es tatsächlich zum Austritt der USA kommen, würde die WHO ihren wichtigsten Finanzier und damit rund 15 Prozent ihres Budgets verlieren. Das würde die Sonderorganisation der Uno, die seit Jahren unter chronischem Geldmangel leidet, in massive Bedrängnis bringen.

"Es ist genauso gefährlich, wie es klingt", meint dazu etwa der Milliardär Bill Gates, der die Organisation seit Jahren fördert. Um wirksam für die Verwirklichung des Rechts auf Gesundheit eintreten zu können, müsse die WHO unabhängig sein, meinen Experten. Tatsächlich machen die Pflichtbeiträge der 194 Mitgliedsländer nur noch 20 Prozent des Gesamtbudgets der WHO aus.

Die restlichen 80 Prozent sind freiwillige Zuwendungen von Nationalstaaten, Stiftungen, internationalen Organisationen und privaten Unternehmen, die größtenteils zweckgebunden sind. "Damit können die Geldgeber direkt Einfluss nehmen", kritisiert Andreas Wulf von Medico international, einer NGO, die sich seit über 50 Jahren für globale Gerechtigkeit und Gesundheit einsetzt.

Gesundheit als Menschenrecht

Das war jedoch nicht die Idee, als die WHO im Jahr 1948 als eigenständiger Teil der Vereinten Nationen gegründet wurde. In ihrer Verfassung wurde sie mit dem Mandat ausgestattet, die "leitende und koordinierende internationale Gesundheitsorganisation zu sein" und weltweit gültige Abkommen und Verträge zu schließen.

Die zehn größten Mittelgeber der WHO Zweijahreshaushalt (2018–2019) in Millionen US-Dollar.
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Zentraler Gedanke dabei war die Umsetzung des Rechts aller Menschen auf Gesundheit, definiert als "vollständiges physisches, psychisches und soziales Wohlbefinden". "Das klingt alles nach einer starken Rolle, aber in Wirklichkeit ist die WHO ein zahnloser Tiger", sagt Wulf.

Tatsächlich steht die Organisation mit ihren rund 7000 Mitarbeitern in sechs Regional- und 150 Länderbüros mit einem Zweijahresbudget von rund 4,8 Milliarden US-Dollar auf eher schwachen Beinen. Es beträgt damit gerade einmal ein Zehntel des Budgets der US-Weltraumagentur Nasa.

Dramatische Unterfinanzierung

Würden die Vereinigten Staaten tatsächlich die Zahlungen stoppen, wäre die Bill-&-Melinda-Gates-Stiftung künftig der größte Geldgeber der WHO, gefolgt von der Impfallianz Gavi, die ebenfalls von Gates gegründet und mitfinanziert wird. "Die Anliegen von Gates sind sicher ehrenhaft", meint dazu Wulf, "trotzdem hinterlässt das Spuren."

So stünden beispielsweise einem hochdotierten Programm zur Ausrottung des Poliovirus völlig unterfinanzierte Programme wie etwa das zur Förderung unentbehrlicher Arzneimittel gegenüber. "Zufall ist das nicht", meint Wulf.

Wie dramatisch die Unterfinanzierung ist, zeigte sich auch bei dem in der Ebola-Krise im Jahr 2014 eingerichteten "Contingency Fund for Emergencies". Er sollte stets mit 100 Millionen Doller gefüllt sein, um in weltweiten Krisen rasch handlungsfähig zu sein.

Seit Ausbruch der Corona-Pandemie konnten davon bisher nur neun Millionen Dollar mobilisiert werden. "Das zeigt sehr deutlich das Missverhältnis zwischen Anspruch und Wirklichkeit einer globalen Solidarität", so Wulf.

Unheil durch Trump

Auch wenn den meisten Beobachtern klar ist, dass Trump mit seinem "Blame-Game" vor allen von den eigenen Fehlern ablenken möchte, war die Vorgangsweise der WHO in den ersten 100 Tagen der Corona-Krise nicht unumstritten. Sie hätte zu lange zugewartet und die ersten Erkrankungsfälle nicht ordentlich untersucht, lautet die Kritik.

Noch am 14. Jänner verkündete die WHO via Nachrichtendienst Twitter, dass Untersuchungen in China keine eindeutigen Nachweis gebracht hätten, dass das Virus von Mensch zu Mensch übertragen werden könne. Erst am 22. Jänner veröffentlichte sie ein Statement, wonach solche Übertragungen in Wuhan stattgefunden hätten. Ende Jänner meinte sie noch, dass Reiseeinschränkungen nicht erforderlich seien, um Covid-19 zu stoppen.

Diese Ratschläge werden nun von Trump und anderen dazu verwendet, der WHO zu unterstellen, sie habe mit China paktiert und damit die weltweite Verbreitung des Virus erst ermöglicht. Bereits bei seiner Bestellung im Jahr 2017 wurde dem amtierenden WHO-Generaldirektor, dem aus Äthiopien stammenden Tedros Adhanom Ghebreyesus, ein Naheverhältnis zum chinesischen Präsidenten Xi Jinping vorgeworfen.

Pandemien der Zukunft

Auch für den Umgang mit früheren Pandemien erntete die WHO Kritik. Zum Beispiel als sie vor rund zehn Jahren bei der Schweinegrippe, die sich in der Folge als eher harmlos herausgestellt hat, die höchste Gefahrenstufe ausrief. Beraten wurde sie damals auch von Wissenschaftern, die auf der Gehaltsliste von jenen Pharmafirmen standen, die dann am Verkauf des Grippemedikaments Tamiflu kräftig verdienten.

Der Skandal führte zu einigen Veränderungen in der WHO. So wurde etwa die Einteilung der Pandemiestufen geändert und der Umgang mit Interessenkonflikten neu geregelt. Für manche Beobachter ging das allerdings nicht weit genug.

Es sieht fast so aus, als ob die WHO regelrecht in der Falle sitzen würde: Weder die Abhängigkeit von einzelnen Nationalstaaten noch die von privaten Sponsoren stehen ihr gut. Dabei hat gerade die Corona-Pandemie gezeigt, wie notwendig eine globale Gesundheitspolitik ist.

"Die WHO braucht Handlungsspielraum, ihre Analysen und Empfehlungen unabhängig von Wirtschaftsinteressen und politischen Partikularinteressen zu machen", meint dazu Andreas Wulf. Dazu müssten sich jedoch die Mitglieder gegenseitig zu höheren Beitragszahlungen verpflichten. "Es ist wichtig, dass die WHO zu ihrer menschenrechtlichen Kernaufgabe zurückfindet." (Andrea Fried, CURE, 25.9.2020)