In Mali bahnt sich eine Wiederholung der jüngeren Geschichte des westafrikanischen Staates an, nachdem Präsident Ibrahim Boubacar Keïta in der Nacht zum Mittwoch von meuternden Militärs zum Rücktritt gezwungen worden ist. Der Coup der Offiziere ging von einer 15 Kilometer außerhalb der Hauptstadt Bamako gelegenen Kaserne in Kati aus: demselben Militärstützpunkt, in dem vor acht Jahren auch der Putsch gegen Keïtas Vorgänger, Amadou Toumani Touré, vorbereitet worden war. Der damalige Umsturz hatte zum Auseinanderbrechen Malis, der Machtergreifung extremistischer Islamisten im Norden des Landes und schließlich zu einer Militärintervention Frankreichs sowie dem gefährlichsten UN-Einsatz in der Geschichte des Staatenbundes geführt.

Zahlreiche Menschen feierten das Militär in Malis Hauptstadt Bamako.
Foto: EPA/Moussa Kalapo

Der neuerliche Militärputsch begann am Dienstagmorgen mit einer Meuterei in der Kaserne von Kati, in deren Verlauf offenbar mehrere führende Offiziere festgesetzt wurden. Am Nachmittag zogen Soldaten von Kati aus in die Hauptstadt Bamako, wo sie sowohl Staatschef Keïta wie Premierminister Boubou Cissé festnahmen und in ihre Kaserne verschleppten. Bei der Militäraktion sollen zwar gelegentlich auch Schüsse gefallen sein: Es kam allerdings zu keinen gewalttätigen Auseinandersetzungen innerhalb der Sicherheitskräfte. Als die Bewohner Bamakos von den Vorgängen erfuhren, versammelten sich mehrere tausend Menschen auf dem zentralen Platz der Unabhängigkeit, wo es in den vergangenen Wochen zu zahlreichen Protesten gekommen war, und feierten ausgelassen den Sturz des Präsidenten.

Kein freiwilliger Abtritt

Nachdem die staatliche Rundfunkanstalt ihren Betrieb zunächst eingestellt hatte, wurde um Mitternacht eine Rücktrittserklärung Keïtas ausgestrahlt, in der dieser auch die Auflösung der Regierung und des Parlaments verfügte. "Ich möchte nicht, dass Blut vergossen wird, um mich an der Macht zu halten", sagte der Staatschef: "Die Liebe zu meinem Land verbietet mir das." Gleichzeitig gab der 75-Jährige jedoch zu verstehen, dass sein Abtritt keineswegs freiwillig war: "Wenn gewisse Elemente unserer Streitkräfte meine Amtszeit mit ihrer Intervention beenden zu müssen meinen, habe ich dann eine Wahl?"

Anschließend gab Malis Luftwaffenchef Ismail Wague im Namen eines "Nationalen Komitees für die Rettung des Volkes" bei einer TV-Ansprache den Plan der Militärs für Neuwahlen "nach einer vernünftigen Zeitspanne" bekannt. "Wir wollen nicht an der Macht, sondern an der Stabilität des Landes festhalten", sagt der General. Mali solle mit "starken Institutionen" ausgestattet werden, die das Vertrauen der Bevölkerung in ihre Regierung wiederherstellen würden. Eine Übergangsregierung soll ernannt werden und die Neuwahlen organisieren.

Monatelange Protestwelle gegen Keïta

Keïta war im August 2013 nach dem Zerfall des Landes und der französischen Militärintervention durch Wahlen an die Macht gekommen. Der unter anderem in Frankreich ausgebildete Historiker wurde vor zwei Jahren sogar wiedergewählt: Doch die Unzufriedenheit der Bevölkerung über die Unfähigkeit der Regierung, die zahllosen Terrorattacken seitens der mit Al-Kaida oder der Terrormiliz "Islamischer Staat" verbündeten Extremisten zu stoppen, sowie die zunehmende Korruption und die angeblichen Manipulationen bei den Parlamentswahlen im April lösten eine breite Protestwelle aus. Bei Auseinandersetzungen am Rande der seit drei Monaten anhaltenden Massendemonstrationen erschossen die Sicherheitskräfte mindestens 14 Personen.

In den vergangenen Wochen suchte der westafrikanische Staatenbund Ecowas die Krise durch Gespräche zu lösen: Ende Juli reisten gleich fünf westafrikanische Staatschef nach Bamako, um zwischen der malischen Regierung und der Opposition eine Verständigung auf eine "Regierung der nationalen Einheit" zu erreichen. Die Opposition warf den Staatschefs jedoch Voreingenommenheit zugunsten ihres Amtskollegen Keïta vor und forderten als Bedingung für eine Einigung dessen Rücktritt.

In einer ersten Reaktion auf die jüngsten Vorgänge in Mali verurteilte der 15 Mitglieder umfassende Staatenbund den Militärputsch scharf, verfügte eine Schließung der Grenzen zu Mali, den Stopp von Finanzflüssen und den vorübergehenden Ausschluss malischer Vertreter aus den Beratungen der Organisation. Auch der Uno-Sicherheitsrat, die Afrikanische Union und die Regierung der einstigen Kolonialmacht Frankreich verurteilten die Machtergreifung der Militärs in Bamako scharf. (Johannes Dieterich, 19.8.2020)