Avramidis Kunst strebte nach einer absoluten Formensprache.

Foto: Courtesy Galerie Crone Wien, Fotos Matthias Bildstein

Ja, es soll hier wie in einer Werkstatt aussehen. Oder wie in einem gut situierten Atelier. Auf jeden Fall unfertig, als ob jemand noch an den Werken arbeiten würde. Natürlich ist es aufgeräumter und sauberer. Aber dass hier eine Holzkiste als Podest dient, Unfertiges an Holzleisten geklemmt ist oder wild notierte Skizzen auf kariertem Blockpapier an den Wänden hängen, machen den Zugang klar: Art in Progress.

Nur, dass an dieser Kunst nicht mehr gefeilt wird, sie ist in ihrer Unfertigkeit bereits fertig – und dennoch strebt sie weiter nach einer absoluten Formensprache. Sie ist eine ewige Suchende.

Mit Another Look möchte die Wiener Galerie Crone einen anderen Blick auf das Werk von Joannis Avramidis werfen, der mit seinen Skulpturen neben Fritz Wotruba, Alfred Hrdlicka und Bruno Gironcoli zu den bedeutendsten österreichischen Bildhauern der Nachkriegszeit zählt. Erst 2017, ein Jahr nach seinem Tod, widmete das Leopold-Museum in Wien Avramidis eine umfangreiche Retrospektive und ließ seine 13 Meter hohe Humanitätssäule im Museumsquartier errichten. In der Einzelschau wird die Suche nach der absoluten Figur, auf der sich Avramidis zeitlebens befand, versucht nachzuerzählen: beginnend bei der zündenden Idee bis hin zum skulpturalen Ergebnis. Für Avramidis war jede Arbeit Kunstwerk für sich.

Spuren von Konzeptkunst

Die Entwürfe seiner Orthogonalen Bandfiguren, die er Ende der 1960er-Jahre anfertigte, lesen sich wie rätselhafte Karten, die den Weg durch geometrische Labyrinthe führen wollen. Bunte Farbkompositionen weisen allerdings auf eine falsche Fährte: Farbig werden seine Skulpturen nie. Akribische Notizen und Pfeile kommentieren die Ideen des 1922 geboren Künstlers. "Unmöglich" steht auch mal darunter. Riecht es hier nach Konzeptkunst?

Noch eine zweite Duftnote weht durch die Galerie: Die meterhohen Figur-Schablonen aus Aluminiumblechen – quasi der Zwischenschritt – erinnern an Werke der Arte povera. Mit Metallzwingen sind sie an ein horizontales Holzbrett befestigt, fast wie zum Trockenen aufgehängte Strümpfe sehen sie aus. Genauso hat man die Schablonen ganz hinten in Avramidis’ Atelier gefunden. Von dort hat man sie – wie vieles andere – hervorgeholt und zeigt sie nun erstmals. Nur schade, dass keine Fotos an den Schaffensort erinnern.

Als Referenzpunkt findet man auch bekannte Bandfiguren, schreitend sowie sitzend. Sie sind Ergebnisse der minutiöse geplanten und schablonierten Vorarbeit. Am schönsten wird das an einer perfekt geschwungenen Sitzenden deutlich. Wobei ihre Form so dynamisch ist, dass sie aus der hinter ihr hängenden Vorlage eben erst entsprungen zu sein scheint. Würde sie sich plötzlich bewegen, würde man sich eigentlich nicht wundern. (Katharina Rustler, 20.8.2020)