Eine Frau unterzieht sich in Kalifornien einem serologischen Antikörpertest. Neue Erkenntnisse deuten darauf hin, dass milde Infektionen dauerhafter als gedacht vor Covid-19 schützen.

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Eine der großen Fragen, die in Sachen Covid-19 noch einer wissenschaftlichen Klärung harren, ist jene der Immunität. Gehofft wird, dass Personen nach einer Infektion mit Sars-CoV-2 möglichst lange dagegen immun sind. Ob dem tatsächlich so ist, steht nicht eindeutig fest.

Bisher hatten Beobachtungen eher darauf hingedeutet, dass gerade bei Menschen, die nur leichte oder gar keine Symptome hatten, nach weniger als drei Monaten nach einer Infektion kaum mehr Antikörper im Blut nachweisbar sind, was im Übrigen auch an der Aussagekraft von Antikörpertests zweifeln ließe.

Doch nun gibt es einige neue Untersuchungen, die zum Teil erst noch vor Begutachtung und offizieller Veröffentlichung stehen und auf einen erfreulicheren Befund hinauslaufen: Auch bei einer Infektion mit nur leichten Symptomen dürfte die Immunität dauerhafter sein als bisher angenommen. Antikörper, die Covid-19 bekämpfen, Immunzellen (die sogenannten B-Zellen) sowie T-Zellen, die in der Lage sind, das Virus zu erkennen, dürften noch Monate nach Abklingen der Infektion im Körper weiterexistieren.

Das berichtete kürzlich die "New York Times" und zitierte unter anderem die Immunologin Marion Pepper (Universität von Washington), Ko-Autorin einer neuen Studie, die derzeit vom Fachblatt "Nature" begutachtet wird. "Die Ergebnisse könnten die Befürchtungen zerstreuen", so Pepper, "dass Sars-CoV-2 so raffiniert sei, wiederholt das Immunsystem zu überlisten und Menschen für mehrfache Infektionen anfällig mache."

Infektionsschutz auf Fischkutter

Eine andere dieser noch nicht fachbegutachteten Untersuchungen berichtet über 120 Crewmitglieder eines US-Fischkutters, der im Mai von Seattle aus ins Meer stach. Alle Personen an Bord wurden vor der Ausfahrt per PCR- und Antikörpertests auf Sars-CoV-2 untersucht – ohne dass Infektionen festgestellt werden konnten. Drei Mitglieder der Crew hatten neutralisierende Antikörper einer bereits erfolgten Infektion im Blut.

Während der Fahrt steckten sich freilich 103 Crewmitglieder mit Sars-CoV-2 an. Nach 18 Tagen kehrte das Boot in den Hafen zurück, da ein infiziertes Crewmitglied ärztliche Hilfe benötigte. Jene drei Crewmitglieder, die vor Fahrtantritt neutralisierende Antikörper im Blut aufwiesen, erkrankten nicht erneut an Covid-19.

Diese Studie geht zwar auf ein Zufallsexperiment zurück und ist nur sehr klein. Nicht beteiligte britische Forscher sind sich in ihrer Einschätzung der Ergebnisse aber einig, dass sie die Wirksamkeit neutralisierender Antikörper belegt, also eines spezifischen Teils der Y-förmigen Proteine, die sich an die Oberfläche von Krankheitserregern anheften und diese daran hindern können, Zellen zu infizieren.

Komplexe Immunantworten

Antikörper sind freilich nur ein Teil einer komplexen und koordinierten Immunreaktion im menschlichen Körper, die noch viele andere Elemente aufweist. Viren, die bereits in Zellen eingedrungen sind, sind zum Beispiel für Antikörper getarnt, aber immer noch anfällig für sogenannte T-Killerzellen. Das sind spezielle weiße Blutkörperchen, die infizierte Zellen zur Selbstzerstörung zwingen. T-Helferzellen wiederum können sogenannte B-Zellen dazu bringen, Antikörper herzustellen.

Antikörper haben allerdings auch ein Verfallsdatum: Da es sich bei ihnen um leblose Proteine und nicht um lebende Zellen handelt, können sie sich nicht selbst regenerieren und verschwinden daher bereits nach Wochen oder Monaten aus dem Blut. Auch die meisten B-Zellen, die diese Antikörper produzieren, sterben ab – nicht aber langlebige B-Zellen, die massenweise virusbekämpfende Antikörper produzieren können, falls das nötig werden sollte.

Geringe Zahl bleibt dauerhaft

Mehrere Studien, darunter die von Immunologin Pepper und ihrem Team, haben nun Antikörper gefunden, die noch Monate nach der Genesung von Covid-19 in geringen Mengen im Blut verbleiben und in der Lage sind, das Coronavirus außer Gefecht zu setzen. Sie dürften zahlenmäßig, so wie es aussieht, einen stabilen Tiefpunkt (den sogenannten Nadir) erreichen, der auch nach Monaten nicht unterschritten wird.

"Wenn man Antikörper so lange nach der Infektion sieht, ist das ein starker Hinweis darauf, dass die B-Zellen im Knochenmark immer noch arbeiten", so Pepper. Komplementär dazu haben es Forscher geschafft, T-Zellen aus dem Blut von genesenen Personen zu isolieren, lange nachdem die Symptome verschwunden sind. Wenn diese T-Zellen im Labor mit Teilen des Coronavirus in Kontakt gebracht wurden, zeigten sie die erhofften Abwehrreaktionen.

Hoffnung für die Impfungen

Bemerkenswert an den neuen Studien ist, dass sie diese anhaltenden Immunreaktionen bei Menschen dokumentieren, die nur leichte Symptome von Covid-19 entwickelt haben. Das wiederum lässt hoffen, dass auch Covid-19-Infektionen, die den Körper weniger stark belasten, für die Zellen des Immunsystems einprägsam genug sind, um für künftige Virusattacken gewappnet zu sein. Stimmt der Befund, dann wäre das auch ein gutes Zeichen für mögliche Impfungen gegen Covid-19.

Während Infektionskrankheiten wie die Grippe die Bevölkerung wiederholt plagen können, dürfte das bei Covid-19 also anders sein. Bei Influenza liegt das nicht zuletzt an den hohen Mutationsraten der Grippeviren, was die Erreger für das Immunsystem relativ schnell undetektierbar macht. Coronaviren hingegen neigen ganz generell dazu, ihr Aussehen von Jahr zu Jahr weniger stark zu verändern, was die Arbeit unseres Immunsystems erleichtert.

Fragen bleiben offen

Dennoch bleiben noch viele Dinge unklar, nicht zuletzt deshalb, weil die Immunreaktionen auf das neue Coronavirus so heterogen sind. So ist etwa ungeklärt, wie die Immunität von Patienten aussieht, die sehr starke Symptome zeigten und im Krankenhaus behandelt werden mussten, beziehungsweise von jenen Personen, die völlig symptomlos blieben. Bei Letzteren kann man immerhin hoffen, dass sie auch eine weitere Infektion ähnlich problemlos überstehen.

Die positive Nachricht aber ist, dass die überwiegende Mehrheit der Fälle leichte Infektionen sind, wie Jason Netland betont, Immunologe an der Universität von Washington und Ko-Autor einer der neuen Studien. "Wenn nur diese Menschen geschützt werden sollen, ist das immer noch sehr gut." (Klaus Taschwer, 20. 8. 2020)