Seine Rede zum 1. Mai hielt Bürgermeister Michael Ludwig nicht auf dem Rathausplatz, sondern vor einer Kamera.

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Für die Sozialdemokratie ist es eigentlich ein Tag der Freude. Doch gerade heuer hatte dieser einen bitteren Beigeschmack. Just im Wiener Wahljahr machte die Coronavirus-Krise den Roten einen dicken Strich durch ihren Partyplan: Statt sich auf dem Wiener Rathausplatz zu feiern, die Wahlkampftrommel zu rühren und mit der Mobilisierung für die Stimmabgabe am 11. Oktober zu beginnen, blieben die Genossen am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, daheim vor den Bildschirmen.

Bürgermeister Michael Ludwig musste seine Rede heuer nicht live vor tausenden Genossinnen und Genossen, sondern für eine Fernseh-Dokumentation in eine Kamera sprechen. "Der 1. Mai 2020 ist anders als sonst", sagte er da.

Es ist nicht der einzige Event, der heuer "anders ist als sonst". Die derzeitige Gesundheitskrise wirkt sich auf den Wahlkampf aus. In Zeiten, in denen die Bevölkerung weiterhin dazu aufgerufen ist, die Anzahl ihrer Kontakte niedrig zu halten, kommen Großevents der Parteien eher nicht so gut an.

Die Fraktionen mussten darum auf Plan B ausweichen, konzentrieren sich nun auf kleinere Events im Freien oder auf Onlineformate.

Keine Besuche vor der Türe

Bei den Wiener Grünen fiel die Entscheidung früh. Schon vor dem Sommer stand fest: Heuer wird es ob der Pandemie keine Hausbesuche geben. Das Werben an der Wohnungstüre stellt ein zu großes Risiko dar. Man setzt auf Aktivitäten im Web. "Social Media haben durch die aktuelle Gesundheitskrise viel mehr an Bedeutung gewonnen", heißt es dort. Auf Instagram, Twitter, Facebook und Co hat die Partei bereits vor der Coronavirus-Krise gesetzt. Dadurch habe man eine "gute Basis, auf die wir jetzt zurückgreifen können", geschaffen. 11.900 Abonnenten weist beispielsweise der Instagram-Account der Wiener Grünen aus – das sind rund 2.000 mehr, als jener der lokalen Sozialdemokraten zählt.

"Es hat sich einiges verändert", heißt es bei der SPÖ. "Dieser Wahlkampf ist in erster Linie ein Medienwahlkampf." Neben den sozialen Medien seien aber auch klassische, wie Zeitung und Fernsehen, wichtiger – und berichten auch intensiver.

Diesen Eindruck haben Parteien jeder Couleur. So sei die Zahl an Interviewanfragen, Einladungen zu TV-Diskussionen und ähnlichen Events heuer enorm gestiegen.

TV statt Flyer

Die Roten rund um Bürgermeister Ludwig haben darum auch ihren Web-Auftritt aufgepimpt und sich ein eigenes TV-Studio eingerichtet. "Wir agieren ganz anders als früher", hört man aus der SPÖ und erhält ein Beispiel: Wenn in den vergangenen Jahren eine TV-Konfrontation zweier Mitbewerber stattgefunden hat, wurde in der Nacht noch oft ein Flyer produziert, der am Tag darauf verteilt wurde. Heuer werde dieser "Faktencheck" über eine "professionelle TV-Sendung auf allen Onlinekanälen der SPÖ Wien" erfolgen.

In einer Art TV-Show kann man auch den türkisen Spitzenkandidaten, Finanzminister Gernot Blümel, treffen. "Sag’s dem Blümel" war eigentlich als Format an öffentlichen Orten konzipiert. Vor der Coronavirus-Krise traf man den Landesparteichef der ÖVP noch im Einkaufszentrum – nun finden die Termine online als Live-Event auf Facebook statt. Dabei sieht man die türkise Landesgeschäftsführerin Bernadette Arnoldner, wie sie Fragen von Usern an Blümel stellt – beide von ihnen befinden sich auch für die Debatte in getrennten Büros.

Beauftragte für Corona

Raus geht die ÖVP aber trotzdem. Zwar werde es keine wahlkampfüblichen Verteilaktionen heuer geben, aber schon jetzt ist Blümel auf Tour durch die Bezirke. Bei sogenannten Grätzelgesprächen. Dort wird dann aber auch Wahlkampfmaterial verteilt – mit Handschuhen, alles hygienisch gereinigt und alles desinfiziert, wie es aus der Partei heißt. Dort, wo ein Mindestabstand nicht eingehalten werden kann, wird Maske getragen. "Wir haben landesweit und in jedem Bezirk einen Corona-Beauftragten", heißt es bei der ÖVP über das Vorgehen.

Von Großveranstaltungen nehmen die meisten Parteien Abstand. Mitte September wird die ÖVP ihren Wahlkampfauftakt abhalten, wie dieser ablaufen wird, ist noch offen, beziehungsweise wurde es von der Partei noch nicht kommuniziert – einzig: "Es wird ein neues Format sein."

Auch bei der SPÖ wird es einen "reduzierten Wahlkampfauftakt" in einem kleinem Rahmen geben; mit Abstand, versteht sich. Insgesamt werde es nur wenige Indoorveranstaltungen, mit kleiner Teilnehmerzahl, keine Hausbesuche und keine riesigen Veranstaltungen "mit zigtausenden Menschen" geben.

Was es in der Ludwig-Partei ebenfalls heuer nicht gibt, ist die klassische Wahlkampfzentrale. Dafür gilt eine Maskenpflicht auf den Gängen der Löwelstraße, nur am eigenen Schreibtisch braucht man sie nicht. Und: "Alle Aktivitäten stehen unter dem Titel Vorsicht."

FPÖ bleibt bei Plänen

Die FPÖ hält zumindest vorerst an ihrem Plan fest. "Aus heutiger Sicht bauen wir auf einen klassischen Wahlkampf mit sehr starkem Bürgerkontakt", zitiert die APA Landesparteisekretär Michael Stumpf. Auch von Großveranstaltungen in Bezirken wolle man nicht abrücken. Nur wenn die Entwicklung der Krise einen derartigen Wahlkampf verunmöglicht, werde man andere Kommunikationswege suchen.

Ob bei den Neos größere Events abgehalten werden, ist noch offen. Wobei ein Sprecher betont: "Bei uns ist groß ja nicht so groß wie bei manchen anderen Parteien." Während SPÖ oder ÖVP mit tausenden Teilnehmern rechnen können, sind es bei den Neos eher hunderte.

Zwei – in diesem Sinne – größere Veranstaltungen seien geplant: der Wahlkampfauftakt, der noch im Freien stattfinden soll, und der Abschluss. Bei beiden Events sei aber möglich, dass sie auch digital abgehalten werden – sollten die Fallzahlen wieder "explodieren". Aufgrund der Corona-Maßnahmen hielten die Pinken ihre Vorwahl online ab. Jede Woche wird das ganze Team getestet.

Frage der Planbarkeit

Die Planbarkeit stellt auch die Grünen vor eine Herausforderung. "Wir können nicht sagen, was in vier bis sechs Wochen ist, darum müssen wir viel kurzfristiger agieren", sagt ein Sprecher.

In der Partei von Bürgermeister Ludwig ist man wiederum davon überzeugt, dass diese Wien-Wahl beispielhaft wird. Der "Corona-Wahlkampf" habe Aktionsformen gefördert, die zukünftige Wahlkämpfe verändern werden. (Oona Kroisleitner, 20.8.2020)