Packender Abend bei den Salzburger Festspiele: Matthias Goerne.

Marco Borggreve

Beginnt ein Liederabend im Salzburger Haus für Mozart – in diesen ungemütlichen Maskenzeiten – mit Worten wie "Lisch aus, mein Licht!", scheint er nicht gerade unter dem Motto "Befreiung von Alltagsgrübelei" zu stehen.

Allerdings legt Ludwig van Beethoven harmonisch Helles unter die Worte seines Liedes Resignation WoO 149. Zum anderen ist die Stimme von Bariton Matthias Goerne eine Art edles Sublimationsinstrument, das die Transformation von Leid und Schwermut ins ästhetisch Erhabene vollführt.

Goerne, der in Salzburg schon Mozarts Papageno und Bergs Wozzeck war, findet sofort zur Leichtigkeit, Pianist Jan Lisiecki inspiriert offensichtlich. Ob beim "Lied aus der Ferne" (mit drängendem Zugriff) oder bei "Maigesang" (mit pointierten Interventionen): Der Kanadier Lisiecki zeigt, dass er kein dienstbarer Klavierbutler ist, vielmehr ein gleichgewichtiger Mitgestalter, der Goerne im Rahmen eines elastischen Dialogs in düstere Tiefen des Existenziellen zu folgen befähigt ist.

Virtuoses an Geliebte

Vom Tode aus den "Sechs Liedern" op. 48 wird eindringlich zum tatsächlich ultimativ letzten Wiegenlied, während "An die Hoffnung" op 94. zur wütenden Klage einer aufbegehrenden Kreatur aufgeladen wird. Dramatik ist dabei zugegen. Sie wird von Goerne jedoch so kultiviert dosiert, dass von opernhaft polterndem Pathos nichts zu hören ist. Und wie der Deutsche sanfte Linien legatoselig zelebriert, ist ohnedies von speziellem Charme.

Besonders beim Liederkreis "An die ferne Geliebte" op 98 wird dieses virtuose emotionale Wechselbad im Sinne partnerschaftlicher, flexibler Könnerschaft evident: Es rückt Goerne bisweilen sichtbar ganz nah an den Pianisten, singt mehr Lisiecki an als das großteils Masken tragende Publikum, ohne jedoch, dass es zu einen Verlust an Unmittelbarkeit der vermittelten Botschaft käme. Das Duo wirkt wie eine Stimme, wie der Idealfall einer dichten Kammermusik, von der es auch eine aktuelle Einspielung (bei der DG) gibt. (Ljubiša Tošic, 20.8.2020)