In Minsk wird weiterhin gegen Machthaber Lukaschenko demonstriert.

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Minsk – Die Generalstaatsanwaltschaft in Belarus (Weißrussland) hat am Donnerstag offiziell ein Verfahren gegen den Koordinierungsrat der Opposition eröffnet. Das Gremium, das vor wenigen Tagen eingerichtet worden war, verfolge das Ziel, die Macht im Staat an sich zu reißen, heißt es. Zudem würde die Opposition die nationale Sicherheit des Landes gefährden.

Die Opposition hatte den Koordinierungsrat nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl am 9. August gegründet, um einen friedlichen Machtwechsel einzuleiten. Er soll sich nach Angaben der Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja für "faire und demokratische Präsidentschaftswahlen unter internationaler Beobachtung" einsetzen.

Damit hat die Regierung auf ihre Art eine Antwort auf einen Dialogversuch der Opposition gegeben. Diese wollte weiter mit dem autoritären Präsidenten Alexander Lukaschenko direkten Kontakt aufbauen. Es habe bereits erste Versuche gegeben, sagte der frühere Kulturminister Pawel Latuschko, der sich dem Koordinierungsrat angeschlossen hat. Bisher habe das Gremium aber keine Antwort von Lukaschenko erhalten.

Umstrittene Wiederwahl

Der Präsident hatte das Innenministerium in Minsk am Mittwoch angewiesen, die Proteste gegen ihn zu beenden. Die Geheimdienste sollen weiter nach den Organisatoren der jüngsten Demonstrationen gegen Lukaschenkos umstrittene Wiederwahl suchen.

Die Demokratiebewegung wolle aber weiter den Dialog anstreben, so Latuschko vor der Anklage. Gleichzeitig kündigten die Lukaschenko-Gegner eine weitere Massendemonstration für Sonntagnachmittag auf dem zentralen Unabhängigkeitsplatz in der Hauptstadt Minsk an.

Die Proteste gingen aber auch in der Nacht auf Donnerstag weiter. In den Städten Brest und Grodno sammelten sich auch in der zwölften Nacht in Folge tausende Menschen auf der Straße und demonstrierten friedlich für einen Machtwechsel. Auch in Minsk kamen zahlreiche Menschen auf dem Unabhängigkeitsplatz zusammen. Sie schwenkten Fahnen und skandierten: "Nur vorwärts! Nur gemeinsam! Gemeinsam werden wir siegen!"

Auch EU will Wahl nicht anerkennen

In der Ex-Sowjetrepublik waren nach der Abstimmung Proteste und Streiks ausgebrochen. Es sind die größten Demonstrationen, die es in der autoritär geführten Ex-Sowjetrepublik jemals gegeben hat. Lukaschenko hatte sich trotz massiver Manipulationsvorwürfe zum haushohen Sieger mit 80 Prozent der Stimmen erklären lassen. Er klammert sich trotz massiven Drucks aus dem In- und Ausland an der Macht fest. Er bestätigte am Mittwochabend auch die Regierung; alle Minister behielten ihren Posten.

Die Opposition erkennt das Ergebnis nicht an, hat aber immer wieder Dialogbereitschaft mit der Führung in Minsk signalisiert. Auch die EU hatte am Mittwoch die Opposition darin bestärkt und in einem Sondergipfel erklärt, das Ergebnis nicht anzuerkennen. Die Demokratiebewegung in Belarus begrüßte die EU-Entscheidung. Brüssel und Moskau sollten zudem den Dialog in dem Land zwischen der Zivilgesellschaft und dem Machtapparat unterstützen, sagte die Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa am Mittwochabend der Nachrichtenagentur dpa in Minsk.

Lukaschenko erklärte Koordinierungsrat für illegal

Kolesnikowa sitzt wie Latuschko im Präsidium des neuen Koordinierungsrates. Dieser verabschiedete am Mittwoch bei seiner ersten Sitzung eine Resolution für den Wandel in dem Land zwischen EU-Mitglied Polen und Russland. In der Resolution fordert die Opposition ein Ende der Gewalt gegen friedliche Demonstranten, die Freilassung aller politischen Gefangenen und Neuwahlen.

Latuschko betonte, dass kein Umsturz der Verfassungsordnung geplant sei. Auch außenpolitisch bleibe das Land auf dem bisherigen Kurs einer engen Anbindung an Russland. Lukaschenko hatte den Koordinierungsrat für illegal erklärt und damit gedroht, ihn aufzulösen. Latuschko meinte, dass der Machthaber damit wenigstens anerkannt habe, dass das Gremium existiere. (APA, 20.8.2020)