Fürst wirft der türkis-grünen Regierung "staatliche Zensur" vor.

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Die türkis-grüne Regierung finalisiert aktuell ihr Gesetzespaket zum Thema Hass im Netz. Ursprünglich war geplant gewesen, damit Ende Juli in Begutachtung zu gehen, aktuell befinden sich die Koalitionspartner immer noch in Verhandlungen. Justizministeriin Alma Zadić (Grüne) ging am Donnerstagnachmittag bei einer Veranstaltung im Justizministerium auch auf das Thema ein. Nächste oder übernächste Woche soll das entsprechende Gesetzespaket präsentiert werden, zeigte sie sich optimistisch.

Ein Teil davon: Ein "Mandatsverfahren" soll es Betroffenen ermöglichen, innerhalb weniger Tage auf zivilrechtlichem Weg einen Beschluss zur Löschung problematischer Texte oder Bilder zu bekommen. Auch die Chance auf eine Entschädigung soll dadurch beschleunigt und erleichtert werden.

Die Möglichkeit, nicht nur straf- und medienrechtlich gegen Postings vorzugehen, sondern auch zivilrechtlich, gibt es auch bisher schon. Allerdings, so Zadić, wurde der Weg in der Praxis bisher selten genutzt, da er komplizierter und langwieriger gewesen ist. Mit dem Mandatsverfahren, einer langjährigen Forderung der Grünen, soll dieser Rechtsweg attraktiver werden.

Kritik der FPÖ

In einer Pressekonferenz kritisierten derweil die FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst und der Justizsprecher Harald Stefan die angedachten Maßnahmen und präsentieren ihr "Gegenmodell zur Meinungsdiktatur".

Wie auch die Regierung erwähnt hätte, gebe es ausreichende Strafbestimmungen, das Internet sei kein rechtsfreier Raum. Hinter dem "vorgeschobenen Kampf gegen Hass im Netz und Falschnachrichten" stecke ein "massiver Eingriff in die Meinungsfreiheit, der ermöglicht werden soll, letztlich eigentlich eine staatliche Zensur", findet Fürst. Dafür bediene man sich "Handlanger".

Vorbild Netzwerkdurchsetzungsgesetz

Fürst kritisiert, dass sich die türkis-grüne Regierung an dem deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz ein Vorbild nimmt, das Online-Plattformbetreiber dazu verpflichtet, rechtswidrige Postings innerhalb von 24 Stunden beziehungsweise sieben Tagen zu löschen. "Facebook wird dazu ermächtigt, eine gerichtliche Funktion auszuüben, das ist ein Tabubruch", kritisiert sie. Es ginge eigentlich darum, ein "gewisses Meinungsspektrum" zu blockieren, später sagte Stefan, dass vor allem konservative, bürgerliche Meinungen gesperrt würden. Fürst nennt als Beispiele etwa Äußerungen gegen Flüchtlinge (ein Beitrag, in dem behauptet wurde, in Flüchtlingsbooten befänden sich IS-Kämpfer, sei wegen Hass im Netz gelöscht worden) oder Äußerungen von Wissenschaftern, "die sich der Klimahysterie entgegenstellen".

Stefan fordert zusätzlich eine Überarbeitung des Verhetzungsparagrafen – aus Sicht der FPÖ sei eine Entschuldigungsbestimmung notwendig, da viele Beiträge, die zu einer Verurteilung führen, "aus einer Emotion" entstanden seien. Das soll laut dem FPÖ-Justizsprecher anders gewertet werden als "eine geplante Tat". Außerdem solle Verhetzung auf "Vereine, Berufsstände oder Gesellschaftsschichten und Mitglieder selbiger" ausgeweitet werden, finden die Freiheitlichen.

Seitenbetreiber – Medieninhaber

Außerdem schlägt die FPÖ vor, Seiten auf Plattformen ab 10.000 Likes, Followern et cetera ähnlich zu behandeln wie Medieninhaber. Diese wären dann selbst für ihre Kommentare verantwortlich, Seitenbetreiber wie Facebook und Co müssten dann dazu verpflichtet werden, sicherzustellen, dass ein Impressum hinterlegt wird, in welchem eine klare Anschrift eines Verantwortlichen zu finden ist.

"Es braucht ein Instrumentarium für einen kostenlosen, effektiven Durchsetzungsweg", sagte Fürst, beispielsweise formularmäßige Beschwerden an die genannten Medieninhaber. Wenn diese nicht rechtzeitig reagieren, könne eine rasche Durchsetzung bei Gericht durch Schnellverfahren erwirkt werden.

Faktenchecks "Zensur"

Auch das Vorgehen von Facebook gegen Falschmeldungen sei aus Fürsts Sicht eine Form der Zensur. Die Firma hat – allerdings, ohne rechtlich dazu verpflichtet zu werden – Kooperationen mit Faktencheckern wie der Stiftung Correctiv, die Meldungen im Netz auf ihre Richtigkeit prüft. "Das ist ein untragbarer Zustand", findet Fürst, es handle sich gar um "staatliche Zensur", da beispielsweise Beiträge, die sich kritisch über die Maßnahmen der Regierung zu Corona äußern, "sehr konsequent in großer Anzahl" aus den sozialen Medien getilgt würden. (muz, moe, 20.8.2020)