Myka und James Stauffer sind auf Youtube mit ihrem Familienkanal berühmt geworden. Knapp eine Million Abonnenten sahen dem Ehepaar regelmäßig auf der Plattform zu. Der Durchbruch gelang den Stauffers mit der detailreichen Dokumentation der Adoption von Huxley, einem Kleinkind aus China mit einer Behinderung. Millionen Zuschauer sahen die regelmäßigen Updates zum Adoptionsprozess, durch Huxley wurde das Paar mit seiner Familie zu Influencern.

In diesem Video zeigt die Familien-Influencerin, wie ein Morgen für sie aussieht, seitdem Huxley dabei ist.
Myka Stauffer

Drei Jahre und dutzende Videos über die Entwicklung und die Erziehung Huxleys später verschwand der adoptierte Sohn aus den Videos, und zu sehen waren nur noch die vier leiblichen Kinder der Stauffers. Nach laut werdenden Bedenken unter den Zuschauern gaben die Stauffers bekannt, sich von Huxley getrennt zu haben. Seine Beeinträchtigungen und sein neu diagnostizierter Autismus sei der Familie zu viel geworden, er sei nun bei Eltern, die seinen "medizinischen Bedürfnissen" nachkommen können.

Massive Kritik

Die Ankündigung hat einen Shitstorm in den sozialen Medien und in der Youtuber- und Influencer-Szene ausgelöst. Viele stellten das Verhalten Myka Stauffers infrage und unterstellten ihr die Ausbeutung ihres Sohns, da sie jahrelang Geld mit monetisierten Videos verdiente, in denen sie intime Details über das Leben Huxleys veröffentlicht hatte.

Trend: Familien- und Adoptions-Vlogs

Das US-amerikanische Ehepaar dokumentierte jedes kleinste Detail seines Familienlebens auf Youtube. Es gibt dafür ein regelrechtes Genre auf der Videoplattform. Zahlreiche "Family-Vlogger" teilen auf ihren Youtube-Kanälen ihr Elternsein mit der Öffentlichkeit. Videos vom gemeinsamen Frühstücken oder dem ersten Schultag sind die Beispiele für die sogenannten "Family-Vlogs".

Die Dokumentation von Adoptionsprozessen ist in diesem Feld nicht unüblich, jedoch unter Adoptionsexperten verpönt. Wie "The Cut" berichtet, wird etwa davon abgeraten, Details über die Umstände vor der gelungenen Adoption preiszugeben. Myka Stauffer schien die Bitte um Diskretion nicht aufzuhalten. In einem Video sagte sie, sie wolle jeden Aspekt ihrer "Reise" beleuchten.

Adoptionen mit Fokus auf Behinderungen

Sie sprach auch darüber, wie gerne sie "eine Adoption zu einem Teil ihrer Geschichte" machen wolle und dass sie sich darauf freuten, "ihre Herzen zu öffnen und zu sehen, was der gute Herr für uns auf Lager hat". Im Juli 2016 ging die Familie mit ihren Plänen, ein Kleinkind aus China adoptieren zu wollen, an die Öffentlichkeit.

In Absprache mit Beratern hatte sich das Ehepaar dazu entschieden, ein Kind aus China zu adoptieren; zuvor hatte es Afrika in Erwägung gezogen. Die Stauffers gaben bekannt, an einem Adoptionsprogramm für Kinder mit Behinderungen und Vorerkrankungen teilzunehmen. Zu den möglichen Behinderungen meinte Stauffer in einem Vlog: "Sagen wir einfach, es gibt 100 Beeinträchtigungen. Mein Mann und ich haben uns mit 99 der Beeinträchtigungen wohlgefühlt, also waren wir sehr, sehr offen."

"Mein Kind ist nicht umtauschbar"

Als sie die Nachricht erreichte, dass ihr zukünftiger Adoptivsohn Huxley "Gehirnschäden" mit einem Verdacht auf einen Tumor habe, sagte Frau Stauffer in einem Zeitschriftenbericht, dass das Paar gezögert habe und mit Zweifel konfrontiert worden sei. Sie fuhren dennoch mit der Adoption fort, nachdem "Gott unsere Herzen erweichte", sagte Stauffer.

In einem entfernten Video, das Teil der Adoptionsvideoserie war, erzählt Stauffer, dass sie vor schwerwiegenden Beeinträchtigungen gewarnt worden seien.

In einem bereits gelöschten Video sagte sie zu ihren Abonnenten, dass ihnen davon abgeraten wurde, Huxley zu adoptieren, da seine Beeinträchtigungen schwerwiegend seien. Das schien sie nicht abzuhalten: "Ohne Zweifel wussten wir, egal in welchem Zustand er zu uns kam, dass wir ihn lieben würden", sagte sie im Vlog. "Mein Kind ist nicht umtauschbar", bekräftigte sie. "Als ich alle Dinge gehört habe, die der Arzt zu uns sagte, gingen sie irgendwie bei einem Ohr hinein und beim anderen wieder hinaus", so die 33-Jährige.

Erfolg durch Huxley

Die Videoserie zum Adoptionsprozess im Falle Huxleys fand zahlreiche regelmäßige Zuschauer. Im Vlog "Huxley’s Gotcha Day" – Letzteres eine kontroverse Bezeichnung für den Tag, an dem Adoptivkinder von ihrer neuen Familie aufgenommen werden – holten die Stauffers ihren Sohn aus China ab. Das Video wurde über 5,5 Millionen Mal angesehen.

In der Youtube-Familienszene begann der Kanal der Stauffers zu florieren: Neben den üblichen Videos zur Schwangerschaft und dem Leben mit vier Kindern wurde Myka Stauffer zur inoffiziellen Beraterin für ausländische Adoptionen. In einer Zeitschrift wurde sie auch zur Betreuung von Kindern mit Behinderungen interviewt. Ihr Kanal wurde immer erfolgreicher und dank diverser Sponsoringverträge auch lukrativ.

Intime Details über Gesundheitszustand

2019 gab die Familie bekannt, dass bei Huxley die stärkste Stufe von Autismus diagnostiziert worden sei und er vermutlich sein Leben lang betreut werden müsse. Einen Gehirntumor, wie ursprünglich angenommen, gebe es nicht. Das sei laut Myka Stauffer eine Erleichterung gewesen, dennoch sei die Diagnose schwer zu verdauen gewesen.

Die Stauffers teilten weitere Details zu Huxleys Verhaltensauffälligkeiten, beispielsweise seine Angst vor Essensverlust oder seine häufigen Wutanfälle, die das Paar manchmal auch am "Vloggen" hindere. Die Informationen über Huxley Gesundheitszustand, die sie von der Adoptionagentur erhalten hatten, hätten laut den Stauffers nicht gestimmt. Um seinen Bedürfnissen nachzukommen, brachten sie Huxley in die Vorschule und organisierten ihm 30 Stunden häusliche Therapie pro Woche.

Neue Familie

Wenige Monate später war von Huxley in den Videos der Familie keine Spur zu sehen. Dies war einigen Zuschauern aufgefallen. Fragen nach dem Verbleib Huxleys wurden immer lauter, Abonnenten verwendeten den Hashtag #JusticeforHuxley ("Gerechtigkeit für Huxley"), um auf das Ehepaar Druck auszuüben. Schließlich meldete sich das Ehepaar in einem erklärenden Video zu Wort.

In einem mit "Ein Update zu unserer Familie" betitelten Vlog erzählten sie, sie hätten Huxley aus ihrem Haus entfernt und ihn bei einer anderen Familie untergebracht. Die Entscheidung sei für Huxleys emotionales Wohlbefinden getroffen worden. Um seine Privatsphäre zu schützen, hätten sie auch keine weiteren Details zu Huxley preisgegeben. Er sei nun bei einer Familie, die seinen "medizinischen Bedürfnissen" nachkommen könne. Einen Monat später untersuchten Behörden die Situation.

Debatte um Ausbeutung von Kindern

Nach einer massiven Kritikwelle verloren die Stauffers mehrere Tausend Abonnenten und sämtliche Sponsoringverträge. Auch entfernte Myka Stauffer alle Fotos, auf denen Huxley zu sehen ist. Der offizielle Account der Familie, auf dem die 27 Videos über die Adoption hochgeladen wurden, wurde vorerst auf privat gestellt. Es sind jedoch weiterhin Videos von Huxley auf dem persönlichen Youtube-Account Myka Stauffers zu finden, die durch Werbeclips monetisiert werden.

Diese Diskussion rund um das Influencer-Paar befeuert eine lang anhaltende Debatte über die Rechte von Kindern in sozialen Medien. Es wird diskutiert, inwiefern Inhalte über Unmündige im Netz zur Monetisierung genutzt werden dürfen und wie Kinder vor der Ausbeutung geschützt werden können.

Nach Kritik am fehlenden Schutz der Privatsphäre von Kindern hat Youtube letztes Jahr damit begonnen, die Kommentarfunktion unter Videos, in denen Kinder zu sehen sind, auszuschalten. So soll eine Maßnahme gegen Kindesmissbrauch gesetzt werden. (hsu, 21.8.2020)