Nach Alma Mahler und Co. feiern nun Karl Kraus' Antikriegshelden durch ihn Wiederauferstehung: Paulus Manker, Theatermacher und Choleriker.

Foto: Schöndorfer/Toppress

Paulus Manker sei Dank, lassen sich dem heutigen Theater auch vorzeitliche Aspekte abgewinnen. Aus der verblassten Welt vierschrötiger Helden und Sagengestalten hat sich ein ebenso finsterer wie schwer zu durchschauender Typus beinahe unversehrt in unsere Gegenwart herübergerettet. Jemand, der – zumindest der Idee nach – mit Widersachern handgemein wird und auch mit widerspenstigen Vertretern der Dingwelt, wenn nötig, gewalttätig verfährt.

Es handelt sich um die Charaktermaske des Berserkers. Diesen furchterregenden Titel erkennt man dem Wiener Theatermacher und Schauspieler Paulus Manker (62) seit jeher zu; und tatsächlich trägt Manker ihn wie einen besonders wohlverdiente Auszeichnung. Zumal er, als genialischer Wüterich der darstellenden Künste zugleich auch sein eigener Impresario, mit Karl Kraus‘ "Die letzten Tage der Menschheit" zum wiederholten Male den Krieg zum Gegenstand seines überschießenden Stationentheaters macht.

Für diesmal gastiert Manker mit 19 Schauspielern (plus Schulklasse) in der Badner-Bahn-Remise in der Meidlinger Eichenstraße. 75 Szenen werden aus Kraus‘ Textmassiv herausgelöst. "Maßlos" soll dieser Bilderbogen sein, der die Bestialität des Ersten Weltkrieges zum Gegenstand hat und, eingedenk Kraus‘ bitterer Worte, die "Tragödie der Menschheit" zeigt, wie sie von Operettenfiguren gemimt wird.

Panoptikum des Grauens

Aber die Mühsal, ein solches Panoptikum des Grauens mit geringen Mitteln zur Darstellung zu bringen, fordert offenbar auch einem gestandenen Berserker äußerste Radikalität ab. Zuletzt wurde durch den "Falter" ruchbar, dass Manker seinen Mitwirkenden nicht nur bescheidene Löhne zahlt, sondern ihnen auch allfällige Mehrleistungen (Überstunden, Zusatztermine) nicht eigens abgilt. Da nehmen sich Berichte über Mankers rustikalen Umgangston eher schon wie Beiträge zur Brauchtumspflege aus: Berserker wüten eben herum, und damit basta!

Und so muss alles immer noch größer, gewaltiger und simultaner werden in der Theaterwelt dieses radikal Rasenden. Nicht von ungefähr eignet vielstündigen Manker-Projekten wie "Alma – A Show Biz ans Ende" oder eben den "Letzten Tagen" etwas Kampagnenmäßiges, Kriegszughaftes. Für ihr gutes Geld sollen die Zuschauer wenigstens ordentlich überwältigt werden. Wo sonst begegnet man einem echten Berserker, als eben dort, wo Manker den Kriegsgott Mars mimt? (Ronald Pohl, 21.8.2020)