Die FPÖ ist offenbar froh, Strache und Gudenus verabschiedet zu haben.

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Es war eine Zitterpartie: Voller Erwartungen fuhren Ermittler der Soko Tape am 20. April 2020 zu einer Wohnung in Wiener Neustadt, um eine SD-Karte zu holen. Inhalt: Das langersehnte Ibiza-Video. Doch dann war die SD-Karte nicht hinter einer Steckdose versteckt, wie es der Zeuge gesagt hatte. Unruhe machte sich breit, der Zeuge beruhigte: Sie müsse wohl hinter die Wandverkleidung gefallen sein. Er gab sein Einverständnis, Teile davon zu lösen – und endlich befanden sich auch die heimischen Behörden im Besitz des Ibiza-Videos. Das geht aus einem Zwischenbericht der Soko Tape hervor, über den zuerst die ZiB1 berichtet hat. Dem STANDARD liegt der Bericht ebenfalls vor.

Die polizeilichen Ermittlungen lassen jedoch viel Raum für Spekulationen. So heißt es in dem Bericht, dass "umfassende Videodokumente" vorliegen – das Wort "vollständig" wird vermieden. "Einige Sequenzen", die im Ibiza-Buch beschrieben werden, fehlen. Für die FPÖ-Fraktion im U-Ausschuss ist das ein Skandal: Einerseits werde dem U-Ausschuss die Vorlage des Videos verweigert, andererseits habe man offenbar das ganze Video bis heute nicht vorliegen. "Wer hat was warum herausgeschnitten – das sind nach wie vor offene Fragen", so die FPÖ zum STANDARD. Der Bericht sorge für mehr Erklärungsbedarf als Aufklärung.

Der "Rote Platz" und "die Russen"

Gespeichert wurden die Videos unter dem Titel "Roter Platz", wohl eine Anspielung auf die lang bekannte Russland-Nähe von Strache und Gudenus. Interessant dabei: Ein Ibiza-Hintermann traf Gudenus vor dem Abend in der Finca "zufällig" bei einem Rückflug aus Moskau. Für gemeinsame Aktivitäten in Russland gibt es jedoch keinerlei Belege. Im Umfeld Straches werden derzeit sogar Gerüchte über Verbindungen der Ibiza-Hintermänner zum russischen Geheimdienst verbreitet – dabei hatte Strache selbst Verbindungen nach Moskau vorangetrieben. Deshalb hatten sowohl Strache als auch Gudenus innerhalb der FPÖ den Spitznamen "die Russen". Das geht etwa aus Tonbandmitschnitten rund um die Causa Eurofighter hervor. Mittlerweile hat die FPÖ die Kooperationsvereinbarung mit Russland gekündigt, vor allem auf Betreiben von Klubobmann Herbert Kickl, der den Verbindungen von Strache und Gudenus stets skeptisch gegenüberstand, wie man aus Parteikreisen hört. Kickl hatte derartige Reisen nie begleitet.

Über die Inhalte der zahlreichen Treffen vor Ibiza gibt es momentan nur wenige Erkenntnisse. Dabei wäre genug Material vorhanden: Von der erwähnten Begegnung zwischen Gudenus und einem Hintermann bei einem Flug von Moskau nach Wien existiert Audiomaterial von fast 90 Minuten. Die Soko berichtet hier nur lapidar, dass es "mitunter" um die "Kronen Zeitung" und die "Geschäfte eines Bauträgers, mit dem Gudenus bekannt ist", ging. Ein Audiomitschnitt von einem Treffen im Hotel "Sofitel" in Wien, bei dem der Ibiza-Hintermann, das Ehepaar Gudenus, Bruder Clemens Gudenus, eine Maklerin sowie die falsche Oligarchennichte anwesend waren, weist über sieben Stunden auf.

FPÖ denkt: "Straches Verschwörungstheorie bricht zusammen"

Bekannt sind schon Fotos, die Gudenus beim Drogenkonsum zeigen. Im Bericht heißt es, dass der Ibiza-Hintermann beim Drogenkonsum von Gudenus in einer Sequenz daneben stand. Das zeigten auch vom "Kurier" veröffentlichte Fotos. Dem ehemaligen FPÖ-Politiker war also bewusst, dass er beobachtet wird. Für die FPÖ-Fraktion im U-Ausschuss ein "spannendes Detail, weil damit eine zentrale Verschwörungstheorie Straches zusammenbricht, nämlich dass Gudenus wegen seines Kokainkonsums erpressbar gewesen wäre". Der einstige FPÖ-Politiker sagte zum Konsum selbstironisch: "Schnee von gestern."

Einen Tag vor dem berüchtigten Abend in der Finca trafen sich Gudenus und der mutmaßliche Hintermann in einem Strandclub auf Ibiza. Auch hiervon existieren Videos, konkret mit einer Länge von fast dreizehn Minuten. "Aufgrund der Geräuschkulisse erschwert verständlich", schreibt die Soko. Von Drogenkonsum berichtet die Soko Tape hier nicht; ebensowenig bei einem weiteren Treffen in Wien. Davon existiert Audiomaterial von fast einer Stunde.

Wer zahlt, schafft an

Das Meeting fand zwischen dem Ibiza-Abend und einer Aussendung der FPÖ Wien im September statt, die ein "Signal" an die falsche Oligarchennichte war. Ihr angeblicher Vertrauter hatte einen Beweis der Ernsthaftigkeit gefordert – und Strache sowie Gudenus lieferten prompt: In der Aussendung ging es um den Unternehmer Hans-Peter Haselsteiner, von dem auch schon auf Ibiza die Rede war. Beendet hatte die FPÖ Wien ihre Aussendung mit "wer zahlt, schafft an" – angeblich in Bezug auf Haselsteiner.

Die FPÖ sagt zum STANDARD: "Diese Aussendung erfolgte im Auftrag der damaligen Parteiführung: Strache war Landesparteiobmann, Gudenus Klubobmann und Vizebürgermeister. Das zeigt, wie richtig es war, sich von den beiden zu trennen." Mit der Materie vertraute Juristen sehen hier mögliche Probleme vor allem auf Gudenus zukommen: Denn er soll damit "Bereitschaft zur Korruption" gezeigt haben, und zwar in Ausübung des Amtes als Wiener Vizebürgermeister – es gilt die Unschuldsvermutung. Jedenfalls dürften in der Causa Ibiza noch Überraschungen bevorstehen – laut Soko Tape ist bislang nur ein Prozent der "Gesamt-Anwesenheit der Opfer auf der Ibiza-Finca" medial veröffentlicht worden. (Fabian Schmid, 20.8.2020)