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Auf dem Video ist zu sehen, wie mehrere Beamten den Slowaken festhalten.

Foto: Charleroi Police CCTV via AP

Brüssel – Nach dem Bekanntwerden eines Falls von Polizeigewalt mit Todesfolge in Belgien haben die Behörden erste Konsequenzen gezogen. André Desenfants, Nummer zwei in der Polizeihierarchie, legte am Donnerstag für die Dauer der Ermittlungen sein Amt nieder.

Auslöser ist ein Video, auf dem ein Polizist zu sehen ist, der sich in einer Zelle auf die Brust eines verletzten Mannes setzt, während eine Beamtin tanzt und den Hitlergruß zeigt. Der Mann starb kurz darauf.

16 Minuten auf Brust gesetzt

Das im Februar 2018 von einer Überwachungskamera aufgezeichnete Video, das erst jetzt veröffentlicht wurde, zeigt den Slowaken Jozef Chovanec in einer Arrestzelle. Der 38-Jährige wurde zuvor aus einem Flugzeug im Flughafen von Charleroi abgeführt, weil er sich geweigert hatte, beim Boarding sein Ticket vorzuzeigen. Weiter ist in dem Video zu sehen, wie Chovanec seinen Kopf gegen die Wand schlägt, bis sein Gesicht stark blutet.

Später betreten mehrere Polizeibeamte die Zelle, um Chovanec Handschellen anzulegen. Als er sich weiterhin nicht beruhigt, kehrten die Beamten zurück und halten ihn fest. Einer der Beamten setzte sich dabei 16 Minuten lang auf die Brust des Mannes. Zu sehen ist auch eine Polizistin, wie sie in der Zelle tanzt und den Hitlergruß zeigt. Chovanec kam anschließend ins Krankenhaus, wo er am nächsten Tag nach offiziellen Angaben an einem Herzinfarkt starb.

Maßnahmen eingeleitet

Desenfants, Leiter des vor allem für das Transportwesen zuständigen Generaldirektorats der Verwaltungspolizei, sagte auf einer Pressekonferenz, dass die Aufzeichnungen ihn "tief" getroffen und "schockiert" hätten. Er werde sein Amt ruhen lassen, solange eine interne Ermittlung laufe. Das Video habe er vorher nicht gekannt.

Gegen die betroffenen Beamten würden disziplinarische Maßnahmen eingeleitet, teilte das belgische Innenministerium mit. Die Beamtin, die den Hitlergruß gezeigt habe, sei strafversetzt worden. "Wir werden auch herausfinden müssen, warum diese Aufnahmen nie an die höchsten Instanzen weitergeleitet wurden", sagte der Sprecher Erik Eenaerts.

Ehefrau veröffentlichte Video

Der Vorfall erinnert an den Tod des Afroamerikaners George Floyd in der US-Stadt Minneapolis Ende Mai. Er war gestorben, nachdem ihm ein Polizist fast neun Minuten lang das Knie in den Nacken gepresst hatte. Der Fall hatte weltweit Anti-Rassismus-Proteste ausgelöst.

Publik wurde der Fall von Chovanec nur, weil seine Ehefrau Henrieta Chovancova das Video gegen den Rat ihrer Anwälte veröffentlicht habe, wie diese mitteilten. Chovancova habe sich nicht davon abhalten lassen, da sie wegen der inzwischen seit zwei Jahren andauernden Ermittlungen frustriert sei. "Unsere Mandantin wollte diese Bilder der Welt zeigen, weil sie kein Vertrauen in die strafrechtlichen Ermittlungen hat", sagte einer ihrer Anwälte.

Sie sei traurig, sagte Chovancova der belgischen Zeitung "De Morgen". Die Behörden hätten versucht, den Tod ihres Mannes "unter den Teppich zu kehren, als ob er Müll wäre, der verschwinden musste", sagte sie. Über das Video hatte zuerst die belgische Zeitung "Het Laatse Nieuws" berichtet. (APA, 21.8.2020)