Auch die "Stopp Corona"-App verwendet jene Messmethode, die die irischen Forscher untersucht haben.

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Die Entwicklung von Apps zur Kontaktnachverfolgung im Kampf gegen Covid-19 wurde von umfangreichen Diskussionen begleitet. Doch während all die begleitenden Fragen zur Privatsphäre als mittlerweile weitgehend geklärt gelten, und auch das Thema der Freiwilligkeit – zumindest vorerst – abgehakt scheint, gibt es bis dato Zweifel an einem ganz anderen Punkt: Nämlich wie gut das Ganze überhaupt funktioniert. Nun gibt es erstmals eine Studie, die dieser Frage zumindest in einem spezifischen Umfeld nachgegangen ist – und das Ergebnis ist ernüchternd.

Öffentliche Verkehrsmittel

Eine Untersuchung von irischen Forschern [PDF] kommt zu dem Ergebnis, dass Contact-Tracing-Apps ausgerechnet in einem der am stärksten beworbenen Einsatzszenarien praktisch wirkungslos sind. In öffentlichen Verkehrsmitteln sei es praktisch unmöglich eine seriöse Abstandsmessung zwischen zwei Smartphones vorzunehmen. Damit kann dann aber auch nicht mehr ermittelt werden, ob ein relevanter Kontakt bestanden hat – und genau das ist eigentlich Aufgabe der App.

Aufbau

Für die Studie haben die Forscher sieben Teilnehmer mit dem selben Smartphone – einem Pixel 2 von Google – ausgestattet und an verschiedenen Positionen in einer Straßenbahn platziert, und alle ähnliche Tätigkeiten vornehmen lassen. Anschließend hat man die in verschiedenen Ländern genutzten Regeln zur Berechnung für einen relevanten Kontakt, angewandt. Das Ergebnis: Bei den deutschen und schweizerischen Regeln wurde nie auch nur ein einziger Kontakt verzeichnet – egal wie nahe die Personen einander waren.

Bei Anwendung der italienischen Parameter wurden hingegen 50 Prozent der Fälle korrekt erkannt – aber eben auch 50 Prozent falsche Kontakte. Damit wäre Raten also eine genauso treffsichere Methode, um festzustellen, welche der in der Straßenbahn sitzenden Personen nun einen relevanten Kontakt darstellt – und welche nicht. Zumindest wird in diesem Modell in einem gewissen Ausmaß festgehalten, wer überhaupt irgendwie in der Nähe war. Allerdings würde dies auch wieder zu vielen "Falschen Positiven" führen, da hier viele Kontakte verzeichnet werden, die in Wirklichkeit gar nicht "relevant" waren.

Technische Probleme

Das Problem liegt bei der Art, wie dieser Abstand berechnet wird, nämlich über die Messung der Signalstärke von ausgesendeten Bluetooth-Signalen. Diese hochfrequenten Signale werden nämlich durch die Metallstrukturen in der Straßenbahn auf unberechenbare Weise reflektiert, was zu erheblichen Signalschwankungen führt – und zwar um nicht weniger als 10 Dezibel nach oben und unten. Damit wird der Abstand praktisch nicht mehr rechenbar. Auch wenn die Forscher den Test nur in einer Straßenbahn vorgenommen haben, ist angesichts der Problemstellung davon auszugehen, dass es sich in U-Bahnen und Bussen sehr ähnlich verhält.

An der Stelle muss betont werden, dass es sich dabei nur um eine einzelne Studie handelt, die jetzt von anderen Forschern überprüft wird. Zudem bedeutet dies nicht, dass die Apps in anderen Szenarien keinen Sinn ergeben. Trotzdem nährt dies natürlich wieder Zweifel an der Effektivität solcher Apps. (apo, 21.08.2020)