Alexander Lukaschenko erklärte sich nach Wahlen vom 9. August zum klaren Sieger.

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Brüssel/Minsk – Im Konflikt um die Präsidentschaftswahl in Belarus (Weißrussland) lehnt Amtsinhaber Alexander Lukaschenko nach Angaben aus der EU ein Gespräch mit Ratspräsident Charles Michel und eine Vermittlungsrolle der OSZE ab.

Während der russische Präsident Wladimir Putin sich offen für einen OSZE-Einsatz in dem Nachbarland zeige, sei Lukaschenko dagegen, sagte ein ranghoher EU-Vertreter am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters nach einem Telefonat von Michel und Putin.

EU will Stabilität

Michel habe in dem Gespräch mit dem russischen Präsidenten deutlich gemacht, dass die EU eine Wiederholung der gewaltsamen Ereignisse im Zuge des Machtwechsels in der Ukraine vor knapp sieben Jahren vermeiden wolle. "Die EU hat kein Interesse an einem weiteren Maidan und einem darauffolgenden Chaos in Belarus", sagte der Insider, der nicht namentlich genannt werden wollte. Die Bezeichnung der damaligen Proteste in der Ukraine leitet sich von dem zentralen Platz (Maidan) der Unabhängigkeit in Kiew ab.

In Belarus setze die EU auf eine Förderung von Stabilität, Gespräche zwischen Regierung, Opposition und Gesellschaft und wirtschaftlichen Wohlstand, sagte der Insider. Dabei wolle die EU das geopolitische Gleichgewicht zwischen der Staatenunion und Russland nicht ins Wanken bringen.

Wochenlange Proteste

Unterdessen fordert die Europäische Union Belarus auf, die strafrechtlichen Ermittlungen gegen die Opposition einzustellen. "Wir erwarten, dass die belarussischen Behörden das Strafverfahren beenden und einen Dialog beginnen, um einen friedlichen Weg aus der Krise zu verfolgen", sagte die EU-Sprecherin für Außenpolitik, Nabila Massrali. Die belarussische Generalstaatsanwaltschaft hatte Ermittlungen gegen die Opposition eingeleitet. Lukaschenko hatte zudem das Innenministerium angewiesen, dafür zu sorgen, dass die Proteste gegen ihn enden.

Lukaschenko hat auch einen Dialog mit dem von der Opposition gegründeten Koordinierungsrat abgelehnt. "Warum sollten wir nach der Pfeife von irgendjemand tanzen? Wir haben Wahlen abgehalten, jetzt lasst uns in Ruhe weiterleben", sagte Lukaschenko vor Arbeitern in einem Landwirtschaftsbetrieb am Freitag.

Lukaschenko lehnt Neuwahlen weiter ab

Er werde nur mit dem Arbeiterkollektiv reden, sagt er der Staatsagentur Belta zufolge. Das Gremium der Opposition hatte mehrfach den Willen betont, den Dialog mit der Staatsführung aufzunehmen, und direkten Kontakt gesucht.

Ziel des Koordinierungsrates ist nach dessen Angaben, einen friedlichen Machtübergang nach der von massiven Fälschungsvorwürfen überschatteten Präsidentenwahl vor knapp zwei Wochen vorzubereiten. Die Opposition sieht ihre Kandidatin Swetlana Tichanowskaja als eigentliche Siegerin der Abstimmung. Doch Lukaschenko beansprucht rund 80 Prozent der Stimmen für sich und klammert sich an die Macht. Seitdem gibt es massive Proteste und landesweite Streiks in Belarus. Auch die EU erkennt das Ergebnis der Wahl nicht an. Lukaschenko lehnte Neuwahlen weiter ab. "Sie verstehen, 80 Prozent kann man nicht fälschen. Sie werden sowieso verlieren." Neuwahlen würden alles auf den Kopf stellen.

Russland will Dialog

Gleichzeitig betonte Lukaschenko, dass das Militär und die Sicherheitskräfte weiter an seiner Seite stünden. "Sie halten von morgens bis abends jeden Tag durch, um Frieden und Ruhe zu bewahren. Ich sehe, dass die Leute unser Land nicht hergeben werden." Zuvor hatte die Opposition die Uniformierten dazu aufgerufen, sich von Lukaschenko abzuwenden. Wer den Sicherheitskräften drohe, werde mit "Glüheisen" bestraft, sagte Lukaschenko. "Solange ich Präsident bin, werde ich mich an eine harte Politik zur Stabilisierung innerhalb des Landes halten."

Im Konflikt um die Präsidentschaftswahl in Belarus fordert Russland einem Agenturbericht zufolge die belarussische Regierung unter Lukaschenko zum Dialog mit den Bürgern auf. Der russische Präsident Wladimir Putin und der nationale Sicherheitsrat des Landes seien am Freitag übereingekommen, dass die Führung des Nachbarlandes die politische Krise im Dialog mit dem Volk lösen solle, meldete die amtliche Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf den Kreml. Russland ist der engste Verbündete von Belarus und betrachtet das Nachbarland als Teil seiner Interessensphäre. (APA, red, 21.8.2020)