Berufliche Sicherheit im hergebrachten Sinn wird es für immer weniger Berufsgruppen geben. Der Mindset-Experte, Jörg Hawlitzeck, rät deshalb ein "Stirb und werde"-Mindset zu erarbeiten.

Hartmut Volk

Mindset – eines der meiststrapazierten Wörter, wenn es um Veränderungen und den Umgang damit geht. Wie genau geht das? Jörg Hawlitzeck, der sich als Sparringspartner für das persönliche wie betriebliche Mindset einen Namen gemacht hat, schärft den Blick für das Notwendige.

STANDARD: Wissen, Können, Denken – das ist das magische Dreieck der Berufsqualifikation, sagen Sie und betonen die besondere Bedeutung der Denkweise. Warum?

Hawlitzeck: Weil unsere Denkweisen, also wie wir uns mit den veränderten beruflichen Anforderungen und Arbeitsbedingungen auseinandersetzen und auf sie einstellen, sich an die Spitze der beruflichen Erfolgsfaktoren setzen. Bestimmen unsere Denkweisen doch unsere Einstellungen und unsere Einstellungen wiederum unser Verhalten. Aus dieser Perspektive wird das Wie unseres Denkens, eben unser Mindset, zu unserem maßgeblichen beruflichen Erfolgsfaktor. Und zum entscheidenden Unterstützer von Wissen und Können.

STANDARD: Es geht also um Arbeit an sich selbst?

Hawlitzeck: Wer in der Dynamik der heutigen Arbeitswelt die Notwendigkeit dazu nicht erkennt und in die Tat umsetzt, hat ein falsches Risikoverständnis. Berufliche Sicherheit im hergebrachten Sinn wird es für immer weniger Berufsgruppen geben. Berufliche Sicherheit, verstanden als die persönliche Fähigkeit, sich neu orientieren und gegebenenfalls auch neu durchstarten zu können, muss also neu definiert werden. Und in diesem neu definierten Sinn zum Ziel des Umgangs mit sich selbst werden. Ersetzbar zu sein ist nicht unbedingt erheiternd. Es geht also darum, sich ein "Stirb und werde"-Mindset zu erarbeiten, um geschützt zu sein.

STANDARD: Vor welchen Fehlern in der eigenen Verhaltensführung warnen Sie am meisten?

Hawlitzeck: Eigentlich gibt es nur einen Kardinalfehler, vor dem nicht nachdrücklich genug gewarnt werden kann: die berufliche Veränderungsdynamik auf die leichte Schulter zu nehmen. Die Dinge kommen in allen Bereichen und jeder Hinsicht derartig in Bewegung, dass es schlicht fahrlässig wäre, auf die Sicherheit des Arbeitsplatzes – und als Selbstständiger auf die Sicherheit des Geschäftsmodells – blauäugig zu vertrauen. Das nun führt mich zu einem weiteren Verhaltensfehler, vor dem ich ebenfalls dringend warnen möchte: sich in Ängsten vor all diesen Veränderungen zu verstricken und sich von ihnen gefangen nehmen zu lassen. Wer Angst hat, blockiert, unmittelbar sich selber und, bitte nicht vergessen, mittelbar auch andere. Angst ist der große Gegenspieler von vorwärts orientiertem Denken und Handeln. Die Angst von einem kann in Windeseile eine ganze Arbeitsgruppe irritieren und aus dem Takt bringen. Zur beruflichen Überlebenskunst gehört es heute, sich von den verständlichen eigenen Ängsten nicht ins Bockshorn jagen und den Schneid abkaufen zu lassen.

STANDARD: Leichter gesagt als getan ...

Hawlitzeck: Keine Frage! Aber es geht um das Wie des eigenen Denkens. Also heißt die entscheidende Frage: Worauf fokussiere ich mich in meinen Gedanken? Auf "Oh Gott, oh Gott, wie wird’s weitergehen?" oder nur auf den entscheidenden zweiten Teil der Frage "Wie wird’s weitergehen?". Und damit wird die Sache schon etwas klarer! Auf jeden Fall wird gestern morgen nicht eins zu eins weitergehen. Und damit ist der Faden der Ariadne gefunden. Zur Domestizierung der und zum Auskommen mit den verständlichen beruflichen Befürchtungen, um das Wort Ängste zu vermeiden, gehört es, sich mit den denkbaren Entwicklungen im eigenen Arbeitsbereich und Arbeitsumfeld zu befassen und im Blick auf die notwendige eigene Entwicklung auseinanderzusetzen. Auf etwas vorbereitet zu sein, sich mit denkbaren Alternativen zum Status quo befasst zu haben, das sorgt schon für eine gewissen innere Beruhigung. Spielt dann das private Umfeld dabei noch mit, ist schon viel gewonnen!

STANDARD: Wieso das private Umfeld?

Hawlitzeck: Es nützt gar nichts, an einem belastbaren eigenen Mindset zu arbeiten, wenn zu Hause die Einstellung herrscht, am Arbeitsplatz geht alles seinen gewohnten Gang. Dann haben Mann oder Frau oder Freund oder Freundin nämlich überhaupt keinen Schimmer davon, was in einem vorgeht, womit man sich mental auseinandersetzt. Im Klartext heißt das, die auf der einen Seite rumorenden Zukunftsängste werden einigermaßen gezähmt, feiern auf der anderen, der privaten Seite aber fröhliche Wiederauferstehung, weil sie dort nicht thematisiert wurden. Gelingt es, sich privat zusammenzusetzen und sich gemeinsam mit den heraufziehenden Veränderungen und ihren potenziellen Konsequenzen zu befassen, ist das eine ganz enorme Erleichterung. Außerdem, gemeinsames Überlegen, gemeinsam Ausschau nach Alternativen zu halten, das schweißt auch zusammen, das stärkt das Gefühl "So schnell haut mich nichts aus den Schuhen!".

STANDARD: Trittfestigkeit bei massiven Veränderungen ist also durch veränderte Denkmuster zu erarbeiten?

Hawlitzeck: Klares Ja und ebenso klares Unterstreichen des Wortes "erarbeiten". Und "erarbeiten" heißt, den etablierten persönlichen Denkweisen auf den Zahn zu fühlen. Sich ein zukunftsfähiges Mindset zu erarbeiten ist ein Stück harter Selbsterkundungs- und natürlich Selbstentwicklungsarbeit, da muss man dranbleiben, dazu muss man seinen gewohnten und oft auch gepflegten Denkabläufen, Reaktions- und überhaupt Verhaltensroutinen auf die Schliche kommen. Und – dazu muss man erkennen, wie oft man vorschnell mit "geht nicht" operiert und reagiert. Wird alles, was auf einen zukommt, womit man sich befassen muss, auf der Stelle mit diesem das Gehirn vernebelnden inneren Statement quittiert, dann geht irgendwann tatsächlich nichts mehr. Besser kann man sich selbst nicht blockieren. Orientierungsfähigkeit und daraus folgend Trittsicherheit in der digitalen Welt, in der eine Neuerung die andere jagt, braucht mentale Offenheit, nicht Abwehr. Es muss nicht die unbändige Lust auf ständig Neues sein, aber es muss die unbändige Bereitschaft da sein, sich mit dem nun mal Unvermeidlichen zu befassen. Innere Ruhe und mit ihr eine gewisse Entlastung von Zukunftsängsten gibt es nur mit einem gewissen Selbstvertrauen, das von einem hilfreichen Mindset unterstützt wird. (Hartmut Volk, 22.8.2020)