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Die falsche Oligarchennichte ist sauer – und sie wird ausfallend. "Das ist ein kompletter Blödsinn und kompletter Scheißdreck", schimpft sie auf Russisch. Die beiden Politiker, die ihr gegenüber sitzen, schwafeln ihr zu viel. "Man kann mich mit irgendwelchen Versprechungen nicht verarschen. Ehrlich gesagt, es geht mir schon am Arsch ... Das kostet mich sehr viel Zeit."

Ihr Problem: Heinz-Christian Strache, damals FPÖ-Chef mit besten Chancen auf das Vizekanzleramt, windet sich. Es ist ein merkwürdiges Verhalten, das er an diesem Abend auf Ibiza an den Tag legt. Vehement betont er, mit Korruption nichts am Hut zu haben:

Ich will einen netten Abend. Ich will kein Geld. Ich scheiß auf das. Ich will Leute, die ehrlich sind, und da, (zeigt auf Herz), da, da, das ist ja viel mehr wert. Scheiß drauf.

Oder:

Mit jedem anderen Scheiß machst du dich angreifbar, und ich will nicht angreifbar sein. Ich will ruhig schlafen. Ich will in der Früh aufstehen und sagen, bin sauber, und wenn, dann tue ich was da. Und das ist die Stärke. Und wenn ich dann in Pension geh, freu ich mich, wenn der eine oder andere Freund sich an mich erinnert und sagt: okay, okay.

Doch Strache handelt nicht so, wie er spricht. Das zeigt ein Transkript des Ibiza-Videos, das von der Soko Tape angefertigt wurde und STANDARD, "Profil" und "ZiB 2" vorliegt. In Kürze soll das Transkript auch beim U-Ausschuss landen. Allerdings existieren verschiedene Versionen – ungeschwärzt zeigen sie nur, was für das jeweilige Verfahren relevant ist. Eine Version, die STANDARD, Profil und ZiB 2" vorliegt, ist eklatant geschwärzt. Von 186 Transkriptseiten sind 145 komplett geschwärzt, 20 teilweise, 21 nicht. Sie reichen aber, um Straches Korruptionsfantasien zu erkennen.

Sie kosten ihn nach der Veröffentlichung des Videos, das an jenem denkwürdigen Abend auf Ibiza entstand, das Vizekanzleramt samt Parteiobmannschaft. Seitdem hat Strache wiederholt die deutschen Nachrichtentitel "Spiegel" und "Süddeutsche Zeitung" angegriffen, weil diese nicht das gesamte Videomaterial veröffentlicht haben, was ihn, so Strache, entlastet hätte. Das nun von der Soko Tape erstellte Transkript des Ibiza-Videos zeigt: Es ging in den gesamten sieben Stunden an diesem lauen Sommerabend immer wieder um korrupte Deals.

Stundenlang blieben Strache und Gudenus nicht nur sitzen, als die falsche Oligarchennichte A. M. und ihr Begleiter J. H. über "Überpreisung" von Staatsaufträgen sprachen. Straches Anwalt sagt dazu: Strache habe das Wort schlichtweg nicht wahrgenommen und später kategorisch abgelehnt. Das ergebe sich aus dem im Transkript nachfolgenden Zitat, wo er nach Aufklärung der missverständlichen Gesprächssituation sagt: "Tschuldige. Nein, das tust du nicht."

Allerdings äußerten die beiden damaligen FPÖ-Spitzenpolitiker vielmehr auch eigene Ideen für schmutzige Geschäfte.

J. H.: Okay, wenn ich dich richtig versteh, soll ich ihr jetzt erklären quasi, dass es, äh, keine Erwartungen bezüglich, äh, Gegending gibt etc., etc.

Gudenus: Nein

Strache: Nein, das ist falsch, das ist falsch, sondern, sondern Wirtschaftsmodelle, die ...

J. H.: Weil, sie erwartet aus ihrer Erfahrung vom Osten her, dass ...

Strache: Schau, schau, nein, was sie im Osten erwartet, spielt es bei uns nicht, so, das muss ich mal sagen, sie, nein, nein, sie muss sagen, dieser Geschäftszweig, dieser Geschäftszweig, dieser Geschäftszweig und dieser Geschäftszweig interessiert uns. (...) Und dann, und dann schauen wir uns an, dann schauen wir uns an, was ist bei uns der Vorteil. (...) Und passt hinein.

J. H.: Okay. Für sie ist ausschlaggebend, dass klargestellt wird, was nicht mit Garantie erwartbar ist, aber was realistisch erwartbar ist.

Strache: Genau, genau.

Gudenus: Jo.

Auch Kickback-Zahlungen bei Glücksspielgeschäften schließen die beiden FPÖ-Politiker nicht aus:

J. H.: ... das war eine der Möglichkeiten, quasi kickback, Casino-Lizenz.

Strache: ... das ist verdammt schwer, das ist verdammt schwer, ja, aber es geht, aber es ist verdammt schwer, ja, aber es geht, aber es ist verdammt schwer (...), ja, es ist möglich.

A. M.: Is this impossible?

Strache: Es ist möglich, aber es ist verdammt schwer, (...). (...) wir wollen das Monopol aufbrechen und wollen, dass das Ganze in eine Privatisierung geht nach Möglichkeit, und da ist eine Möglichkeit da, und der große Player ist natürlich Novomatic. Die Möglichkeit ist, dass wir das Monopol kappen und die Lizenzen ausschreiben.

Straches Anwalt sagt dazu: "Dass H.-C- Strache gegen Monopole jeglicher Art auftrat, ist allgemein bekannt." Gemeint waren hier "bundesweite Ausschreibungen".

Als es um das Kleine Glücksspiel geht, das vor allem einkommensschwache Spieler betrifft, sagt Strache, seine Wiener Landespartei sei zwar offiziell dagegen; die "richtige Position" aber sei, dass man die dadurch entstandenen 60 Millionen an Steuereinnahmen in Wien durchaus brauchen könne.

Ein Ampelsystem bei der "Krone"

Und wie kann die Oligarchennichte die FPÖ unterstützen? Auch hier sind es Strache und Gudenus, die Ideen entwickeln. Einerseits soll die "Kronen Zeitung" gekauft werden, dort dann ein "Ampelsystem" nach FPÖ-Freundlichkeit der Journalisten eingeführt werden. Oder, wie Strache es formuliert: wie "korrekt" diese berichten. Außerdem wird von den Spenden an Vereine gesprochen, die "am Rechnungshof vorbei" der Partei nutzen.

Strache: Genau, genau, die einzige Gegenleistung, die wir erwarten, dass man korrekt mit uns umgeht, dass man eine Berichterstattung korrekt macht, dass man dort, äh, in der Redaktion, es korrekt macht, und dass, wenn, wenn es ihr gefällt, da und dort eine Spende bekommt, völlig rechtskonform. Ende.

Gudenus: An den Verein, Verein ...

Strache: Ende.

J. H.: Parteispende?

Gudenus, Strache: Verein, Verein.

Diese Themen ziehen sich durch den gesamten Abend:_Strache und Gudenus fantasieren einerseits munter über diverse Deals, betonen aber zeitgleich, nur korrekt handeln zu wollen. Vermutet Strache eine Falle – und will sich so absichern? Legendär ist etwa die Szene, in der sich Strache, Gudenus und dessen Ehefrau Tajana über die Zehennägel der Oligarchin unterhalten. "Eine Mörder-Fake-Falle!", sagt Strache.

Auch zwei Stunden später beschäftigen den FPÖ-Chef die Zehennägel noch. "Braune gepflegte Nägel", sagt Tajana Gudenus. "Nein, tschuldige, da schaust du auf alles. Da schaust du jede Woche auf ... Falle. Falle. Eingefädelte Falle", antwortet Strache. Und meint, er wolle sich das mit der "Krone" "die nächsten drei Wochen anschauen".

Die Soko Tape notiert dazu lakonisch: "S. zieht das untere Lid von seinem linken Auge nach unten." Und dann, wenige Minuten später bei der Verabschiedung, sagt Strache wieder: "Benefit für alle."

Dass es die FPÖ-Spitze durchaus ernst war, was in Ibiza fabuliert wurde, zeigt eine Aussendung der FPÖ Wien im September 2017. Sie sollte als "Signal" an die Oligarchennichte dienen. In der Aussendung geht es um den Unternehmer Hans-Peter Haselsteiner, ein Feindbild Straches. Heute sagt die FPÖ dazu, die Aussendung sei von Gudenus und Strache veranlasst worden. (Fabian Schmid, 21.8.2020)