Europa-League-Finale: Inter vs. Sevilla, 21 Uhr

Romelu Lukaku erinnert sich. Er erinnert sich an seine Jugend, seine ersten Minuten in der Kampfmannschaft von Anderlecht, seine Mutter und die Armut, in der er aufwuchs. In einem Beitrag aus 2018 der US-amerikanischen Sport-Plattform Players Tribune lässt der Belgier sein Leben, die Anfänge und den Verlauf seiner bisherigen Karriere Revue passieren. "Als ich sah, dass meine Mama die Milch mit Wasser versetzte, wusste ich, dass wir pleite waren. Nicht nur arm, sondern pleite. Das Geld reichte nicht, um Milch für die ganze Woche zu kaufen." Er war sechs Jahre alt.

Ein Mann, zwei Missionen: Tore und Titel
Foto: AFP/MEISSNER

Heute ist er 27 Jahre alt – und einer der besten Stürmer der Welt. Lukaku fehlte vor dem Finale seines Vereins Inter Mailand in der Europa League gegen den FC Sevilla am Freitagabend nur noch ein Treffer zur Einstellung des Vereinsrekords von 34 Saisontoren des ehemaligen Weltfußballers Ronaldo aus der Spielzeit 1997/98. Mit einem Tor würde er gleichzeitig auch einen anderen Rekord ausbauen. Der 84-malige Nationalspieler traf bereits in zehn aufeinanderfolgenden Europa-League-Spielen – das schaffte vorher keiner. Insgesamt erzielte er 52 Tore für Belgien. Und trotzdem: "Wenn alles gut lief, war ich in der Presse 'Romelu Lukaku der belgische Stürmer'. Wenn es nicht so gut lief, war ich plötzlich 'Romelu Lukaku, der belgische Stürmer mit kongolesischen Wurzeln'", sagt Lukaku bei "Players Tribune". Der 191 Zentimeter große Kicker positionierte sich während seiner Karriere immer wieder offensiv gegen Rassismus.

Kein Fossil

Lukakus Revier ist der Strafraum, seine Körperlichkeit, seine Schnelligkeit und sein Torriecher sind – no na – sein Kapital. Dabei ist er eine Antithese zu körperlichen Stereotypen. "Bullig" steht da gerne in Beschreibungen. Lukaku ist groß, Lukaku ist viel, aber der Belgier ist dadurch keinesfalls behäbig. Seine Schnelligkeit und Wendigkeit sind Attribute, die im modernen Spitzenprofifußball unumgänglich sind. Die Strafraumbullen, die vor allem im richtigen Moment den Fuß hinhalten, sich aber sonst wenig am Spiel beteiligen, sind nahezu ausgestorben. Fossile der Fußballvergangenheit.

"Ich wollte der beste Fußballer der belgischen Geschichte werden. Nicht nur gut, nicht nur sehr gut, sondern der beste. Ich habe mit so viel Wut gespielt. Wegen der Ratten in unserer Wohnung, weil wir kein Geld hatten, um zu Hause Champions League zu schauen. Und weil mich die anderen Eltern immer schief angeschaut haben", erinnert er sich. Der junge Romelu war schon in seiner Jugend ein Lackl: Trainer und Gegenspieler zweifelten immer wieder an seinem Alter.

WIK7

Mit 16 Jahren debütierte der gebürtige Antwerpener in der ersten belgischen Liga, bis zu seinem 17. Geburtstag war er Torschützenkönig, Meister und Nationalspieler. Mit nur 18 Jahren wechselte er in die Premier League. in England spielte er für Chelsea, Everton (87 Tore in 166 Spielen), West Brom (17 Tore) und Manchester United (42 Tore).

Schlüsselfigur

Bei United erzwang er im Sommer 2019 mit einem Trainingsstreik seinen Abgang. Inter schlug zu und investierte 74 Millionen Euro für den Rekordtorschützen der belgischen Nationalmannschaft. Eine Investition, die sich zu lohnen scheint und die Mailänder wieder von den großen Erfolgen vergangener Tage träumen lässt.

In der erfolgreichsten Saison der Nerazzurri seit dem Triple-Jahr 2010 ist der Belgier die Schlüsselfigur. "Romelu spielt eigentlich immer gut. Er ist ein sehr starker Spieler, ein guter Mann", lobte Trainer Antonio Conte. Mit 33 Toren sowie sechs Vorlagen in 50 Pflichtspielen spielt der Angreifer an der Seite seines Sturmpartners Lautaro Martinez die Saison seines Lebens. (hag, sid, 21.8.2020)