Mohammed bin Zayed Al Nahyan (59), Kronprinz von Abu Dhabi und Vizekommandant der VAE-Streitkräfte. Er führt die Geschäfte für seinen kranken Bruder.

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Als "tapferen und weisen" Führer lobte Israels Präsident Reuven Rivlin den Kronprinzen von Abu Dhabi, als er diesen nach Israel einlud: "Seien Sie unser verehrter Gast", forderte er Mohammed bin Za yed Al Nahyan auch in Namen des israelischen Volkes auf. Seit vor einer guten Woche Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) die Normalisierung ihrer Beziehungen publik machten, gehen die Emotionen MbZ betreffend – so das viel gebrauchte saloppe Kürzel für Mohammed bin Zayed – hoch. Für viele Araber und Muslime ist er ein Verräter an der palästinensischen Sache. In der westlichen Welt hingegen steigen historische Bilder auf: Ist Mohammed bin Zayed der neue Anwar al-Sadat?

Der damalige ägyptische Präsident hatte 1977, nur vier Jahre nach dem Jom-Kippur- oder Oktoberkrieg (wie er bei den Arabern heißt), die harte arabische Front gegen Israel verlassen, als er nach Jerusalem flog, um vor der Knesset zu sprechen. 1979 schlossen Israel und Ägypten Frieden, 1981 wurde Sadat von radikalen Islamisten ermordet. Keine Sorge, man kann davon ausgehen, dass die emiratischen Geheimdienste um vieles effektiver sind als jene in Ägypten in den 1970ern.

MbZ und Anwar al-Sadat

MbZ und Sadat: Wenn man denn unbedingt Gemeinsamkeiten herausarbeiten wollte, könnte man anmerken, dass sie beide im gleichen Alter den offenen Schritt auf Israel zu taten. Mohammed bin Zayed ist 59 Jahre alt – Sadat war Jahrgang 1918, 1977 war er in Israel. Als MbZ geboren wurde, gab es die 1971 gegründeten VAE noch nicht einmal. Das 50-jährige Jubiläum werden die Emirate unter dem Eindruck einer völligen strategischen Neuausrichtung ihres Landes begehen. Die vollzog allerdings auch Sadat und Ägypten, das durch den Friedensschluss mit Israel Ende der 1970er-Jahre aus der sowjetischen Einflusssphäre herausgelöst und zu einer der wichtigsten Säulen der US-Politik im Nahen Osten wurde.

An der Spitze beider Entwicklungen stehen starke Persönlichkeiten, wobei Ägypten mit oder ohne Sadat – unter seinem Vorgänger Nasser zumal! – immer ein politisch wichtiges Land war. MbZ hingegen hat die VAE erst zu dem gemacht, was sie heute sind. Aus den mit Ausnahme der Handelsmetropole Dubai etwas verschlafenen Emiraten wurde unter seiner Führung ein Staat, der weit über seiner Gewichtsklasse nicht nur regional, sondern auch am Horn von Afrika und in Nordafrika – etwa in Libyen und dem Sudan – mitmischt. Die Klassifizierung als einer der "wichtigsten arabischen Politiker" hat MbZ längst hinter sich gelassen: Er spielt längst in der Liga der mächtigsten Männer der Welt mit.

Nicht der Lieblingssohn

Trotz seiner Geburt in die Herrscherfamilie von Abu Dhabi, des ölreichsten der sieben Emirate der VAE, war dieser Aufstieg Mohammed bin Zayed nicht an der Wiege gesungen: Palastgeflüster will etwas von harten Konflikten mit seinem Vater Zayed bin Sultan wissen, der ihn erst 2003, ein Jahr von seinem Tod, zum Vizekronprinzen ernannte.

2004 rückte er zum Kronprinzen auf, sein älterer Bruder Khalifa bin Zayed wurde Emir. Der Herrscher von Abu Dhabi ist gleichzeitig Präsident der VAE und Oberkommandierender der VAE-Streitkräfte: Und da Khalifa seit einem Schlaganfall 2014 faktisch regierungsunfähig ist, liegt die ganze Macht in den Händen seines Bruders und Stellvertreters, MbZ.

Arabischer Frühling als Weckruf

Seit er das Sagen hat, hat sich die Außen- und Sicherheitspolitik der VAE völlig verändert – und er gilt darüber hinaus als die treibende Kraft für die Richtung, die der große Nachbar Saudi-Arabien unter seinem Kronprinzen, Mohammed bin Salman Al Saud, genommen hat. Der Weckruf für MbZ war zweifellos der Arabische Frühling von 2011, der – aus seiner Sicht – revolutionäre republikanische Islamisten, Muslimbrüder, als neue politische Elite der arabischen Welt nach oben spülte: nach dem Vorbild der Türkei und unter den wohlwollenden Blicken von US-Präsident Barack Obama, der an die Möglichkeit einer demokratischen Entwicklung in der arabischen Welt glaubte.

Das tut Mohammed bin Zayed definitiv nicht. Die Moderne und Offenheit, die die VAE unter ihm vorführen, haben nichts mit politischer Freiheit zu tun. Der Kronprinz hat die absolute Kontrolle, die VAE sind ein beinharter Sicherheitsstaat, der versucht, auf andere Weise das "Glück" seiner Bürger zu garantieren. Dazu braucht es viel Geld.

Auf dem Klavier der internationalen Beziehungen spielen die Emirate meisterhaft: auch das mit viel Geld. Kulturelle Großprojekte – wie Dependancen des Guggenheim-Museums oder des Louvre nach Abu Dhabi zu bringen –, akademische Zusammenarbeit oder die Sportdiplomatie, in der auch der verhasste Nachbar Katar exzelliert, sind Teil einer offensiven kalkulierten "public diplomacy". Und emiratisches Geld poppt an den unwahrscheinlichsten Stellen auf.

Abrahamitische Cousins

Zur kulturellen Offenheit gehört die Religion: Im Februar 2019 betrat der römisch-katholische Papst in Abu Dhabi erstmals den Boden der arabischen Halbinsel, die die höchsten islamischen Stätten beherbergt. Auch der Normalisierungsbeschluss mit Israel – der laut Abu Dhabi mehr Muslimen erlauben wird, die Moscheen in Jerusalem zu besuchen – bekam mit dem Namen "Abraham-Abkommen" ein religiöses Nebengeräusch. Die gemeinsamen religiösen Wurzeln wurden den Emiratis dieses Jahr im Ramadan schon mittels TV-Soap-Operas, in denen sympathische Juden vorkommen durften, nahe gebracht.

MbZ ist ein skrupelloser Machtpolitiker, dennoch wäre es unfair, zu behaupten, dass alles, was er tut, ein rein zynisches Unterfangen ist: Nach seinem Verständnis muss sich die Region aus den Fesseln des israelisch-arabischen Konflikts befreien, um sich zu entwickeln – aber auch, um aggressiven islamistischen Konkurrenten wie dem Iran oder der Türkei Paroli bieten zu können. Dabei spielen auch die Rüstungsgüter eine Rolle, die ihm US-Präsident Donald Trump nun umso williger verkaufen wird: durchaus auch zur Irritation von Israels Premier Benjamin Netanjahu, der eigentlich nicht will, dass der derzeit modernste Kampfflieger der Welt, der F-35, in arabische Hände gerät, Friedensschluss hin oder her.

In seiner Politik der Annäherung an Israel kann sich MbZ auch bestätigt fühlen von den Geschäftsleuten auf beiden Seiten, die keinerlei Berührungsängste zeigen und geradezu vorpreschen, um die politische Normalisierung mit Leben zu erfüllen. Das war 1979 mit Ägypten ganz anders: Da ging es darum, einen echten Kriegszustand zu beenden, das Verhältnis zwischen den beiden Populationen blieb, vor allem von ägyptischer Seite, feindselig. Und Israels Friedensschluss mit Jordanien 25 Jahre später, der von den meisten Jordaniern – darunter viele Palästinensischstämmige – sehr kalt aufgenommen wurde, stand ganz im Kontext der israelisch-palästinensischen Annäherung. Auf die will MbZ ein weiteres Vierteljahrhundert später nicht länger warten. (Gudrun Harrer, 22.8.2020)