An Samstagen steht Autos in Innsbruck ab nun kostenlos öffentlicher Raum zum Parken zur Verfügung. Symbolbild für eine lebendige, florierende Innenstadt nach mehrheitlichen Vorstellung der Innsbrucker Politik.

Foto: imago images/Florian Gärtner photothek

Innsbruck – Was könnte man tun, um Wirtschaftstreibende im Zentrum einer Stadt mit rund 130.000 Einwohnern zu unterstützen, um etwa die Abwanderung des Handels an die Peripherie und die Verödung der Innenstadt zu stoppen? Die Antwort aus Sicht der Mehrheit des Innsbrucker Gemeinderats lautet: Mehr Autos in die Innenstadt locken, indem man die Parkgebühren an Samstagen abschafft.

Diese Woche wurde dieser "Versuch", der vorerst bis Dezember 2020 befristet ist, mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ, Für Innsbruck (FI ist eine ÖVP-Abspaltung), Liste Fritz, Gerechtes Innsbruck und Alternative Liste Innsbruck (Ali) abgesegnet. Die Grünen – die Partei des regierenden Bürgermeisters Georg Willi –, die SPÖ sowie die Neos stimmten dagegen. Neben den Einnahmen, die der Stadt dadurch entfallen, verwies Bürgermeister Willi auch auf die Kosten von mehr als 60.000 Euro, die allein die Umstellung der Parkautomaten für diesen Versuch kostet.

So begründet die Ali, warum sie für den Vorschlag gestimmt hat, obwohl sie ihn für unsinnig hält.

"Versuch und Irrtum" als Devise

Die Befürworter dieser Idee, allen voran Wirtschaftsstadträtin Christine Oppitz-Plörer (FI) und FPÖ-Stadtparteiobmann Rudi Federspiel, argumentieren damit, dass man es eben ausprobieren müsse, bevor man sagen könne, das sei der falsche Weg. Ali-Gemeinderat Mesut Onay erklärt die Zustimmung seiner Liste wiederum damit, dass man die Idee zwar für unsinnig halte, aber man den Befürwortern die Möglichkeit geben wolle, damit zu scheitern. Danach, so die Hoffnung, würden diese dafür zukunftsträchtigeren Lösungen zustimmen. Ein frommer Wunsch.

Benjamin Plach, Gemeinderat und Vorsitzender der SPÖ Innsbruck, äußerte sich nach der Sitzung und erklärte die ablehnende Haltung seiner Partei zum Parkraum-Versuch.

Man hätte natürlich auch einfach über den Tellerrand blicken können, um sich über längst existierende innovative Verkehrskonzepte zu informieren. Etwa nach Groningen, im Norden der Niederlande. Die Universitätsstadt mit rund 230.000 Einwohnern und 50.000 Studenten ist gut mit Innsbruck vergleichbar. Im weiter gefassten Ballungsraum der Tiroler Landeshauptstadt leben laut Eurostat rund 300.000 Menschen , davon sind mehr als 30.000 Studenten.

Zwei völlig verschiedene Welten

In der niederländischen Stadt floriert der innerstädtische Handel. Kleine Geschäfte blühen dort auf, während in Innsbruck große Straßenzüge wie die Museumsstraße zusehends veröden. Einzig die Einkaufszentren florieren in Tirols Hauptstadt. Das hängt auch mit dem Verkehr zusammen. So werden etwa in Groningen mehr als 50 Prozent aller Einkäufe mit dem Fahrrad erledigt. Der Radverkehrsanteil in Innsbruck liegt bei rund 17 Prozent, jener in Groningen bei über 60 Prozent.

Der grüne Gemeinderat Dejan Lukovic wirft der Liste Für Innsbruck vor, entgegen ihrer bisherigen Haltung gestimmt zu haben.

Innsbrucks Bürgermeister Willi brachte es in seiner Kritik am nun beschlossenen Gratis-Parkversuch auf den Punkt, als er im Interview mit dem ORF Tirol sagte: "Die Kaufleute wollen doch Umsätze. Und Umsätze bringen Menschen, die sich im öffentlichen Raum wohlfühlen. Doch der öffentliche Raum wird nun mit Gratisparkern verstellt. Das heißt, die Umsätze werden zurückgehen." Er verstehe daher nicht, wieso die Wirtschaftskammer etwas unterstützt, das einen Schaden für die Wirtschaftstreibenden bedeute.

Acht Jahre grüne Verkehrspolitik

Wobei zur grünen Kritik am verkehrspolitischen Versuch der politischen Mitbewerber anzumerken ist, dass die Bürgermeisterpartei selbst lange genug Zeit gehabt hätte, bessere Ideen einzubringen. Seit 2012 ist das Verkehrsressort in der Landeshauptstadt in grüner Hand. Es gab also ausreichend Gelegenheit, sich selbst Mehrheiten für bessere, innovativere Ideen zu suchen. Auch auf die Einlösung des Wahlversprechens des grünen Bürgermeisters – "Wo ein Willi, da ein Radweg" – warten Innsbrucks Radfahrer noch heute sehnsüchtig.

Die Parkgebühren in Amsterdam sollen Autofahrer an den Stadtrand drängen.
Foto: Lou Oeke Polder

Wie zeitgemäße Verkehrspolitik in Sachen Parkraumbewirtschaftung geht, zeigt aktuell Amsterdam. Dort kostet Parken in der Innenstadt von Montag bis Samstag, von jeweils neun bis 24 Uhr, an Sonn- und Feiertagen von zwölf bis 24 Uhr, stolze 7,50 Euro pro Stunde. Im Rotlichtviertel gilt die Kurzparkzone sogar bis vier Uhr morgens. Ziel dieser Preispolitik ist es, die Innenstadt von Autos und damit verbundenem Verkehr zu befreien und so lebenswerter zu machen.

Park and Ride nach Vorbild Amsterdam

Als Anreiz für Autofahrer, das Amsterdamer Zentrum zu meiden, wurden an der Peripherie riesige Parkhäuser errichtet. Dort ist das Parkieren ungleich günstiger: 24 Stunden kosten acht Euro. Wer nach zehn Uhr oder an Wochenenden kommt, zahlt überhaupt nur einen Euro pro Tag. Bis zu vier Tage kann man sein Auto dort stehen lassen. Einzige Bedingung: Man muss sich ein Ticket für die Öffis kaufen, um in die Innenstadt zu gelangen. Die Details zum Park-and-Ride-Programm sind hier nachzulesen.

Während Städte wie Groningen seit Anfang der 1970er auf radverkehrsfreundliche Konzepte setzen und so mehr Lebensqualität für die Einwohner geschaffen haben, leidet Innsbruck noch heute am autofreundlichen Verkehrskonzept, auf das die Stadt Anfang der 1970er-Jahre gesetzt hat, als man sich als Ersatzort für die Austragung der Olympischen Winterspiele beworben hat. Diese jahrzehntealten Versäumnisse lassen sich nicht über Nacht aus der Welt schaffen. Mit einem Versuch, der ideologisch an dieses Autozeitalter anknüpft, aber wohl genauso wenig. (Steffen Arora, 21.8.2020)