Im Juli 2018 wurde die Wiedereingliederungsteilzeit gesetzlich verankert. Das habe über 7000 Arbeitnehmern nach einem langen Krankenstand die Rückkehr in ihr Berufsleben ermöglicht.

Westend Imago

Zwar mit viel Abstand, aber immerhin: Peter Bosek, Vorstandschef der Erste Bank, freut sich, "wieder echte Menschen zu sehen". Es sind ein paar Journalisten Mitte August auf dem Campus der Bankengruppe, zusammengerufen zu einem Paradebeispiel positiver Unternehmenskommunikation abseits der zyklischen Banken-, Börsen- und Wirtschaftstermine. Quasi eine ungetrübte Freude des Hausherren, die er sichtlich genießt.

Eva Höltl, Gesundheitsmanagerin Erste Bank, mit Erste-Bank-CEO Peter Bosek.
Daniel Hinterramskogler

Ebenso freudig vor Ort: Arbeitsministerin Christine Aschbacher. Sie kann präsentieren, was wiederum die ebenso frohe Leiterin des Gesundheitszentrums der Erste Bank in den vergangenen acht Jahren in die Welt gebracht hat: die Früchte neuer Wege im Krankenstandsmanagement.

Im Juli 2018 wurde als etwas sperriger Begriff "Wiedereingliederungsteilzeit" unter der damaligen Ressortchefin Beate Hartinger-Klein gesetzlich verankert, was seither über 7000 Arbeitnehmern nach einem langen Krankenstand die Rückkehr in ihr Berufsleben ermöglicht hat, auch wenn sie nicht sofort nach Krankenstandsende 100-prozentig arbeiten konnten. Seither kann nach einem Krankenstand, der mindestens sechs Wochen angedauert hat, in der Folge Teilzeit gearbeitet werden, je nach Bedarf. Die wöchentliche Normalarbeitszeit wird via schriftlicher Vereinbarung herabgesetzt, der Arbeitgeber zahlt die tatsächlich geleistete Arbeit, die Krankenversicherung füllt den Rest auf. Möglich ist das maximal neun Monate lang.

KMUs an Board holen

7331 Anträge darauf wurden in den vergangenen zwei Jahren gestellt, 92 Prozent der betroffenen Menschen konnten bis jetzt auch in ihrer Arbeit verbleiben. Durchschnittsalter: 45 bis 54 Jahre, etwas mehr Frauen als Männer, so die Evaluierung der aktuellen Arbeitsministerin Aschbacher. Vorwiegend größere Firmen haben diese Wiedereingliederungsteilzeit beantragt. Jetzt sollen die KMU an Bord geholt werden, Möglichkeiten für Langzeitkranke mit schubhaften Verläufen ins Gesetz kommen.

Insgesamt, sagt die Medizinerin Eva Höltl, kämen rund drei bis vier Prozent aller Krankenstände dafür infrage. Der Hebel der Entlastung erscheint sehr groß: Rund ein Drittel des gesamten Krankenstandsvolumens in Österreich entfällt auf Langzeitkrankenstände. Was jetzt so stolz präsentiert wird, ist eigentlich ihr Werk.

Gemeinsam mit dem damaligen SP-Arbeitsminister Rudi Hundstorfer hat sie in einer ministeriellen Arbeitsgruppe die Weichen gestellt, dann als Pionierin in der Erste Bank flächendeckend für die derzeit rund 8000 Mitarbeiter ein solches Wiedereingliederungsmanagement implementiert. Die schwarz-weiße Definition der Arbeitsfähigkeit hat damit eine lebensgerechtere Auslegung erlebt. Das Bild einer statischen Leistungsfähigkeit über die Lebenszyklen hinweg ebenso.

Nutzen für Organisation

Damals noch ohne finanzielle Zuzahlung der Krankenkassen mit einer Betriebsvereinbarung – aus Überzeugung, dass es allen Beteiligten (Individuen, Unternehmen und Kassen) nützt. Das hat sich als richtig erwiesen: Die Langzeitkrankenstände wurden halbiert. Höltl: "Das ist kein Programm für Arme und Schwache, es ist ein Herzensanliegen." Und es greift in allen relevanten Bereiche der Organisation, vom Arbeitgeberimage bis zum Wissensmanagement. Denn, so auch die Erfahrung der Medizinerin, wer "gesund geschrieben" zurückkomme und merke, er oder sie schafft nicht gleich 100 Prozent, der oder die müsse meistens den Ausweg in die Invaliditätspension nehmen.

Tatsächlich könne aber der Betrieb mit einer Rahmenvereinbarung für Leistung je nach Möglichkeit zu einem Ort der Genesung werden, der Wiedererstarkung. "Die Leute heimschicken und dort belassen ist für alle die schlechteste Variante", so Höltl. Manchmal gehe es lediglich um eine eher banale Adaption des Arbeitsplatzes, manchmal bedürfe es einer Reduktion der Arbeitszeit über 50 Prozent hinaus.

Die Erste bedient sich seit zwei Jahren auch der gesetzlichen Möglichkeit, aber nicht nur. Es wird individuell gemacht, was die durchschnittlich 250 bis 300 Langzeitkranken pro Jahr benötigen. "Eine Frage des Anstands, der Würde, der gesellschaftlichen Verantwortung", so CEO Peter Bosek.

Nachbesserungen und Schließen von Lücken

Angesichts der nachweislich gestiegenen psychischen Vulnerabilität durch die Corona-Pandemie dürfte die Nachfrage nach individuellen Modellen des "Halbkrank, Halbgesund" auch insgesamt steigen. Jetzt, nach der Evaluierung, kündigt Ministerin Aschbacher auch Nachbesserungen und das Schließen von Lücken je nach Krankheitsbildern an. Was die Kassen genau dazugezahlt haben, kann ihr Ressort derzeit noch nicht beziffern. (Karin Bauer, 26.8.2020)