Sechs Unternehmen, darunter ein Solarzellenhersteller, haben sich im Burgenland zu einem Licht- und Energiecluster zusammengeschlossen.

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In gewisser Weise ist das Südburgenland eine Art österreichisches Nowhereland. Lieblich, pittoresk, exotisch. Man assoziiert das Land mit Uhudler und sonst hauptsächlich mit Abgeschiedenheit. Und wenn überhaupt mit Industrie, dann höchstens mit verlängerten Werkbänken. Oder Förderklotzen wie das Lenzinger Lyocellwerk in Heiligenkreuz. Der besser ausgebildete Eingeborene pendelt lieber.

Solche Sicht ist, findet nicht nur Michael Gerger, schade. Denn tatsächlich passieren hier, wo einen bald das Hektische zugunsten einer ruhigeren Art der Konzentriertheit verlässt, hochspannende Dinge. Zukunftsdinge. Ökonomische Vernetzungen und Projekte, wie man sie eher am anderen Ende Österreichs, im Vorarlberger Rheintal, vermuten würde.

Modellregion

Michael Gerger ist der Chef der burgenländischen Industriellenvereinigung, der am längsten dienende Landeschef. Und die Geschichten, die er vom Süden erzählt, klingen so ganz anders als die üblichen Klagen übers vernachlässigte, infrastrukturell und überhaupt geschurigelte Land. Gerger erzählt – nachdem er die üblichen Klagen, die ein IV-Chef über die rote Landespolitik eben zu äußern hat, geäußert hat – vom Burgenland als einer kleinen, feinen Modellregion, in der man die Energien der Zukunft nicht bloß entwerfe, sondern auch bereits umsetze und dabei – no na – auf weiterführende Fragen stoße. Die dann neue Antworten brauchen. Und so weiter.

Das alles passiere vornehmlich im Landessüden, wo in Güssing ohnehin schon ein Leuchtturmprojekt steht, um das es zuletzt ein wenig stiller geworden ist. Bedingt auch durch die eine oder andere Insolvenz. Der Weg in die energetische Zukunft ist ein durchaus steiniger. Aber was Arnold Schwarzenegger bei seinem Besuch 2012 herausgerutscht ist, pickt dennoch wie ein Markenzeichen am pannonischen Outback: "Die Welt soll Güssing werden."

Gerger war bis vor kurzem Chef des traditionsreichen Autozulieferers Hella, der in Großpetersdorf Scheinwerfer herstellt. Jetzt ist er selbstständiger Produktentwickler. Schon als Hella-Chef war er aber treibende Kraft bei der Gründung eines südburgenländischen Clusters, der sich dem Thema Beleuchtung widmet. Ein anderswo vielleicht etwas vernachlässigter Bereich im Themenfeld Energiezukunft. Denn es gehe ja nicht bloß ums Erzeugen, sondern vor allem auch ums Verbrauchen.

Sechs Unternehmen – von Hella über den Solarzellenhersteller Blue Chip bis zum LED-Produzenten Lumitech – haben sich zum Licht- und Energiecluster zusammengefunden, innerhalb dessen es auch weitgehenden Innovationstransfer geben soll. Ein bisschen Druck auf die zuerst zögerliche Landespolitik – "Wir haben einen ersten Masterlehrgang für Optoelektronik im steirischen Fürstenfeld lanciert" – hat genügt, um den südburgenländischen Fachhochschul-Standort in Pinkafeld zu alarmieren und schließlich zu aktivieren.

Forschungsstandort

Mehr noch: Dort, wo man sich mit der Gebäudetechnik ohnehin schon seit eh und je den Energiefragen zugewandt hat, wurde vor zwei Jahren ein Forschungsstandort auf höchsten Niveau eröffnet. Das Burgenland hat sich nämlich um mehr als eine Million Euro an der steirischen Joanneum Research beteiligt, die hier mit 15 Mitarbeitern ein Forschungszentrum für Beleuchtungstechnik betreibt. Eng verwoben mit der FH und der HTL. Nachwuchs für den Cluster.

Da geht es oft um Kleinigkeiten, die sich aus dem Produktionsalltag ergeben. Zum Beispiel um die Optimierung von Reflektoren. Eine Frage, die von Kühltruhenherstellern für Supermärkte aufgeworfen und von LED-Erzeugern weitergetragen wurde. Gerger: "Je besser der Reflektor, desto weniger Wärme durch die Beleuchtung, desto geringer klarerweise der gesamte Stromverbrauch."

Das ist mittlerweile eine der Hauptstoßrichtungen: Energiesparen. Die zweite: Speichern. Das Europäische Zentrum für erneuerbare Energie in Güssing hat sich diesbezüglich in das europaweite Projekt Horizon 2020 eingeklinkt, in dem erprobt wird, wie lokale Energieerzeuger sich als stabiler regionaler Energieanbieter vernetzen lassen. Auch oder gerade mit sogenannten smarten, digitalen Managementsystemen. Ein Thema auch oder gerade der Gebäudetechnik.

Regionale Nutzung

In ebendieser Richtung ist seit heuer die in Stegersbach beheimatete Act4.Energy unterwegs. Hier wird – getragen von Start-ups ebenso wie von Industrieriesen wie Siemens und Kapsch oder dem Austrian Institute of Technology und dem Infrastrukturministerium – in insgesamt zehn Gemeinden mit rund 20.000 Einwohnern erprobt, wie regionales, erneuerbares Energiemanagement funktionieren kann.

Projektinitiator Andreas Schneemann: "Wir schaffen ein regionales Energiesystem, in dem wir die Energie, die in der Region produziert wird, regional nutzen." Anstatt um wenig Geld in Überschusszeiten das einspeisen zu müssen, was man dann um teures zurückkaufen muss.

Zentrale Forschungs-, aber vor allem Entwicklungsaufgabe: ein Speichermedium. Da werden etwa große lokale Wasserstoffspeicher ins Auge gefasst. Michael Gerger sagt es, mit Blick auf die gerade anlaufende Solarstrom-Initiative des Landes, fast poetisch: "Es muss gelingen, die Energie des Sommers für den Winter aufzuheben." (Wolfgang Weisgram)