Exakt vor einhundert Jahren trat Jedermann (damals: Alexander Moissi) in Salzburg erstmals auf die Bühne.

Archiv der Salzburger Festspiele

Kopf des Tages

Hundert Jahre alt wird bei weitem nicht ein jeder, und doch heißt der entsprechende Jubilar des Tages Jedermann. Der Mann hat eben Glück. Ihm bleiben als rein belletristischem Geschöpf alle menschlichen Wehwehchen erspart. Er kann alljährlich auf dem Domplatz von Salzburg nichtsahnend zu seinem großen Festbankett laden. Dieses wird allerdings – jetzt kommt das Pech dazu – immerdar auch sein letztes sein. Der Jedermann handelt nun einmal vom Sterben. Da macht auch der 100. Geburtstag keine Ausnahme.

Jedermann ist indes mehrerlei: Gemeint ist das Theaterstück von Hugo von Hofmannsthal, aber auch die zur Läuterung gedrängte Titelfigur. Als Jedermänner gelten aber auch sämtliche Schauspieler, die dem reichen Mann in den jeweiligen Inszenierungen seit 1920 Façon gaben: Ist er ein gewissenloser Finanzhai, ein verwöhnter und unversehens in die Jahre gekommener Aristokrat oder doch nur ein im Rausch des Geldes abgehobenes bourgeoises Bürschchen?

Für Letzteres trat Burgschauspieler Nicholas Ofczarek 2010 ein, als er 39-jährig den jüngsten Jedermann der Geschichte gab. Vom Urmimen Alexander Moissi (Bild) über Attila Hörbiger, Will Quadflieg, Curd Jürgens oder Klaus Maria Brandauer, Gert Voss, Peter Simonischek (Rekordhalter mit 91 Auftritten) bis herauf zu Tobias Moretti trat das Gros seiner Darsteller im ehrwürdigen Mannesalter an. Zum Behufe der Tragik: Schon so erwachsen und noch immer ein Kindskopf, dem nur das Vergnügen etwas zählt!

Ewig wilde Ehe

Der Jedermann ist trotz seiner Moneten keine sichere Bank und obendrein ein treuloser Anverwandter. Er wimmelt wegen Partystress sogar die eigene Mutter ab, er zeigt null Engagement für karitative Taten, für keinen noch so frugal erscheinenden Nachbarn hat er Mitgefühl. Dafür tätschelt er mit geweiteten Augen seinen Mammon und will obendrein ewig in wilder Ehe leben.

Dass mit ihm Schluss sein muss, verlangt jedes Theatergesetz. Eigentlich hatte Hugo von Hofmannsthal zu Beginn seiner Beschäftigung mit dem Stoff eine "Wiener Prosakomödie im Stile Raimunds" im Sinn. Wien, Prosa und Komödie sind ihm nicht gelungen. Aber eine Prise Raimund steckt in dieser Allegorienlandschaft schon drin. Als bloße Personifikation eines Menschen ist der Jedermann auch am allerbesten aufgehoben: namenlos, keine Hobbys und auch in seinem Kleidungsstil kein Heuler. Happy Birthday! (Margarete Affenzeller, 22.8.2020)