Am Höhepunkt der Corona-Krise wurde Bargeld nur mit Fingerspitzen angefasst, wer mit Münzen oder Scheinen zahlen wollte, kassierte vorwurfsvolle Blicke. Das Bild von Bargeld als Virenträger hatte sich in den Köpfen verankert, auch wenn die Europäische Zentralbank auf Laboruntersuchungen verwies, wonach von dessen Nutzung kein erhöhtes Ansteckungsrisiko mit Covid-19 ausgeht. Effekte, die der Zahlungsdienstleister Mastercard deutlich spürte: Kontaktloses Bezahlen boomte während der Krise, ebenso der Onlinehandel, während die Anzahl der Bankomatbehebungen in den Keller ging, wie Österreichchef Christian Rau berichtet.

In Österreich wird zwar noch öfters als im Europaschnitt bar bezahlt – auf lange Sicht ist Bargeld auch hierzulande auf dem absteigenden Ast.
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Erst mit den Lockerungen und der langsamen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Normalisierung wird im Alltag offenbar wieder öfter bar gezahlt. Auch Rau sieht vom Bauchgefühl – Zahlen liegen ihm noch nicht vor – seit etwa einem Monat eine Rückkehr zu früheren Verhaltensmustern. Der Anstieg der unbaren Zahlungen während der Krise sei wie ein "Zwischenspurt in einem Marathon" gewesen, formuliert es der Mastercard-Chef. Er ist sich der Sensibilität des Themas Bargeld bewusst und betont, Bargeld "madig zu machen" sei nicht seine Aufgabe: "Jeder soll so zahlen, wie er will."

Und es zeigt sich in einer Umfrage der ING Bank, dass Österreicher trotz Corona nach wie vor am Bargeld hängen: Demnach zahlen hierzulande noch 71 Prozent der Befragten in Restaurants in bar, während der Europaschnitt bei 30 Prozent liegt. Gleichzeitig geben 43 Prozent an, wegen Corona ihre Karte nun öfter zu verwenden als vor dem Ausbruch der Pandemie. Im europäischen Mittel sind es jedoch mit 52 Prozent noch etwas mehr.

Erstnutzer

Langfristig werden auch in Österreich Münzen und Geldscheine als Verlierer aus der Corona-Krise hervorgehen. Denn in der Onlinewelt scheitern Barzahlungen nicht am Wollen, sondern am Können – und E-Commerce, schon vorher auf der Überholspur, hat auch in Österreich durch die Corona-Krise an Relevanz gewonnen. Rau verweist auf Marktforschungsdaten, wonach es im Onlinehandel auch viele Erstnutzer gegeben habe.

Um den Trend zum Onlineshopping künftig ausschöpfen zu können, erinnert Rau Händler an strengere Vorgaben bei der Identifizierung der Kunden ab Anfang 2021. Als Teil der sogenannten Open-Banking-Richtlinie PSD2 hätten diese schon im September des Vorjahres eingeführt werden sollen, wurden aber wegen Problemen bei der Umsetzung verschoben. Die heiße Phase vor der Einführung fällt diesmal ins Weihnachtsgeschäft. "Es wird keinen weiteren Aufschub geben", betont Rau. Händler sollten die Zeit bis November zur Vorbereitung nutzen.

Open Banking

Ein Eckpfeiler von Open Banking ist der Zugriff von Drittanbietern auf Konten von Konsumenten, sofern diese es zulassen. Die Möglichkeiten, wie sich solche Kontenanbindungen für Dienstleistungen nutzen lassen, sind vielfältig. Verbraucherschützer sehen dies jedoch kritisch. Sie befürchten gläserne Bankkunden – und dass die Geldinstitute diese Informationsasymmetrie zu ihren Gunsten nutzen.

Dessen ungeachtet wird es noch dauern, bis um das Konto durch Open Banking eigene Ökosysteme entstehen werden. Die Entwicklung dorthin verläuft Rau zufolge regional unterschiedlich: "England spielt relativ weit vorn mit. Dort sehen wir schon ordentlich Innovation." Er ortet auch Potenzial für Neuerungen im Zahlungsverkehr, weshalb sein Haus eine Kooperation mit Microsoft vertiefe. Fintechs, also junge, digitale Finanzdienstleister, könnten in dessen Rahmen cloudbasierte Lösungen im Bereich Payment entwickeln. (aha, 23.8.2020)