Athen/Istanbul/Moskau – Scharfe Reaktionen hat die am Freitag bekannt gewordene Umwandlung der Hauptkirche ("Katholikon") des Istanbuler Chora-Klosters in eine Moschee ausgelöst. Die griechische Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou bezeichnete auf Twitter die Umwandlung des berühmten Gotteshauses, das seit 1958 als Museum galt, als "Entstellung", wie Kathpress berichtete.
Es handle sich um einen "provokativen Akt" der türkischen Staatsführung, der den "interreligiösen und interkulturellen Dialog" unterminiere, so die Präsidentin. Die griechische Kulturministerin Lina Mendoni sprach von einem "Affront für das Weltkulturerbe". Die Hauptkirche des Chora-Klosters sei eines der "bedeutendsten byzantinischen Monumente". Die Mosaiken und Fresken der Kirche stellten "einmalige Kunstwerke" dar. Das Bildnis der Gottesmutter aus Chora finde sich weltweit in allen Büchern über byzantinische Geschichte und byzantinische Kunst. Ähnliches gelte für das Mosaik des thronenden Christus, dem Theodoros Metochites, der große Erneuerer von Chora im frühen 14. Jahrhundert, das Modell des Gotteshauses überreiche.
Erdoğan betreibe einen "Rückschritt"
All dies zeige, dass es um ein Monument gehe, dessen künstlerischer Wert mit dem der Hagia Sophia vergleichbar sei, so die Ministerin. Es sei traurig, dass im 21. Jahrhundert die Uhr zurückgestellt werde anstatt "religiöse Toleranz und Multikulturalismus zu fördern". "Wir reden alle über den Dialog der Kulturen, über Konsens und Toleranz. Mit solchen Akten wie den jetzt vom türkischen Präsidenten gesetzten, geschieht ein Rückschritt", betonte Mendoni.
Der Sakralbau aus dem 11. Jahrhundert ist weltberühmt für seine Mosaike und Fresken. Nach der Eroberung Konstantinopels, des heutigen Istanbul, machten ihn die Osmanen 1511 zu einer Moschee und deckten die christlichen Kunstwerke ab. 1948 erklärte der Staat die Kirche zu einem Museum und machte die Bildnisse wieder zugänglich. Das oberste türkische Gericht hatte im vergangenen Jahr die Umwandlung des Baus in eine Moschee zugelassen.
In einer offiziellen Erklärung des griechischen Außenministeriums hieß es, die türkische Entscheidung über die Chora-Kirche sei eine "neuerliche Herausforderung für die religiösen Menschen in aller Welt, aber auch für die internationale Gemeinschaft, die die Denkmale der menschlichen Kultur respektiert". Nach der Rückumwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee sei nun trotz der scharfen internationalen Reaktionen auf diese Entscheidung der Status einer anderen Stätte des Unesco-Weltkulturerbes "brutal beleidigt" worden.
Trotz gelegentlicher Erklärungen über die Respektierung der Rechte der Minderheiten und über den multireligiösen Charakter der türkischen Gesellschaft habe Ankara neuerlich seine internationalen Verpflichtungen im Hinblick auf die Stätten des Weltkulturerbes auf seinem Territorium verletzt. Das Verhalten Ankaras sei "absolut tadelnswert". Wörtlich heißt es in der Erklärung aus Athen weiter: "Wir rufen dieses Land auf, mit den internationalen Entwicklungen im Bereich des Schutzes des Weltkulturerbes Schritt zu halten. Die Türkei muss in das 21. Jahrhundert des gegenseitigen Respekts, des Dialogs und der Verständigung zwischen den Kulturen zurückkehren."
"Schmerzlich und traurig"
Die EU-Sprecherin für Außenpolitik, Nabila Massrali, sagte auf Anfragen von Journalisten, Brüssel "beobachte" die Vorgänge um die Umwandlung der Hauptkirche des Chora-Klosters in eine Moschee. Wie die Hagia Sophia sei auch die Chora-Kirche eine Stätte des Unesco-Weltkulturerbes. Als Mitglied der "Global Alliance for Cultural Diversity" der Unesco müsse sich die Türkei dem interreligiösen und interkulturellen Dialog und der Förderung von Toleranz und Koexistenz verpflichtet fühlen.
Es sei "schmerzlich und äußerst traurig", dass die türkische Staatsführung die Stätten des Weltkulturerbes gering schätze, hieß es in einer Stellungnahme des russisch-orthodoxen Moskauer Patriarchats zur Umwandlung der Hauptkirche des Chora-Klosters in eine Moschee. Auch in der Hagia Sophia gebe es keinen "freien Zutritt" mehr, um die Meisterwerke christlicher Kunst zu sehen, die "verhüllt bleiben". Auch der Zutritt von Frauen sei "begrenzt". Es bestehe der Eindruck, dass die türkische Staatsführung weiterhin das Erbe des eroberten oströmischen Reiches ignorieren wolle, das man offensichtlich als "fremd" betrachte. Christliche kulturelle Werte würden in der Türkei mit "kalter Indifferenz" und einer "herablassenden Haltung" behandelt. Leider trage all das nicht zur Verständigung, Zusammenarbeit und Freundschaft zwischen den Völkern oder "zum gegenseitigen Respekt zwischen den Gläubigen unterschiedlicher Religionen" bei. Es sei schmerzlich, das mitanzusehen. (APA, 22.8.2020)