Elie Rosen wurde angegriffen.

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Spontan versammelten sich am Samstagabend BürgerInnen zu einer Mahnwache vor der Synagoge.

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Trotz Schlechtwetter bewachten sie das Gebäude.

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In den vergangenen Tagen kam es mehrmals zu Sachbeschädigungen an der Grazer Synagoge.

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Graz – Der Präsident der Jüdischen Gemeinde Graz, Elie Rosen, ist am Samstagabend vor dem jüdischen Gemeindehaus von einem Unbekannten mit einem Holzprügel attackiert worden, bestätigte der Sprecher des Landespolizeikommandos Steiermark, Fritz Grundnig.

Rosen wollte laut der Sprecherin der jüdischen Gemeinde, Brigitte Wimmer, mit seinem Auto auf das Grundstück des jüdischen Gemeindehauses einfahren, als er angegriffen wurde. Der Präsident und eine Begleitung seien beim Versuch, auf das Synagogenareal einzufahren, auf einen Mann mit Baseballkappe und Rad aufmerksam geworden, der offensichtlich einen Stein mit sich führte. Dieser sei von Statur und Aussehen jener Person, die im Zuge der Vandalenakte auf die Grazer Synagoge von Mittwoch und Freitag dieser Woche auf den Überwachungskameras zu erkennen gewesen war, sehr ähnlich gewesen.

Angreifer auf der Flucht

Als Rosen sein Auto verlassen habe, sei er von dem Unbekannten mit einem Holzprügel, offenbar ein Baseballschläger, angegriffen worden. Es sei ihm in letzter Sekunde gelungen, zurück ins Auto zu flüchten. Danach habe der Angreifer noch mit dem Baseballschläger auf das Fahrzeug eingeschlagen, bevor er die Flucht ergriffen habe, erklärte Wimmer.

Die Grazer Polizei teilte mit, das eine Netzplanfahndung nach dem unbekannten Täter eingeleitet und Objektschutz für die Synagoge angeordnet wurden. Der Täter fühlte sich offenbar recht sicher, kam er doch zum dritten Mal innerhalb weniger Tage auf den Grazer David Herzog Platz, um die Synagoge zu attackieren. "Die ersten beiden Male ist er noch in der Nacht gekommen, heute mitten am Nachmittag, also am helllichten Tag", so der Sprecher der Polizei Fritz Grundnig im Gespräch mit dem STANDARD.

Polizei: "Rote Linie überschritten"

Auf Nachfrage des STANDARD, warum das Gebäude nicht mehr wie einige Jahre nach seiner Wiedererrichtung vor 20 Jahren von der Exekutive bewacht wird, noch dazu, nach dem es zwei knapp auf einander folgende Attacken gab, erklärt Grundnig: "Es hat ja viele Jahre nicht derartiges mehr gegeben. Aber es ist jetzt gerade angeordnet worden." Nach der dritten Attacke? "Es ist jetzt eine rote Linie überschritten worden, weil es gegen Personen geht."

Ob Elie Rosen nun Personenschutz bekomme, liege an ihm. "Das Angebot gibt es", heißt es seitens der Polizei. Spontan versammelten sich am Samstagabend BürgerInnen zu einer Mahnwache vor der Synagoge. Darunter die ehemalige Landtagsabgeordnete der Grünen Edith Zitz,Tristan Ammerer, der grüne Bezirksvorsteher des Stadtteils Gries, und später auch eine Abordnung des islamischen Kulturzentrums. Am Sonntag um 17:00 organisiert die JöH (Jüdischen österreichischen HochschülerInnen) eine Kundgebung, die am Hauptbahnhof Graz startet und vor der Synagoge am David-Herzog-Platz endet.

Überwachungskamera

Das Landesamt für Verfassungsschutz hat nun die Ermittlungen übernommen und bittet um Hinweise zur Identität des Mannes. Man gehe von einem pro-palästinensischen Hintergrund aus, schließe aber auch sonst noch nichts aus. Die Polizei hat zudem die Ermittlungsgruppe "Achava" eingerichtet. Sie soll den Verdächtigen, nach dem nun mit einem Fahndungsfoto gesucht wird, schnappen. Die Staatsanwaltschaft Graz hat die Veröffentlichung der Bilder der Überwachungskamera angeordnet. Laut Beschreibung handelt es sich um einen 20 bis 35 Jahre alten Mann. Er ist etwa 1,70 Meter groß, schlank mit schwarzem Vollbart.

Ein Bild aus einer Überwachungskamera zeigt den mutmaßlichen Täter.
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Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) erklärte, er habe eine verstärkte Überwachung aller jüdischen Einrichtungen in Österreich angeordnet. Auch das Einsatzkommando Cobra werde zur Unterstützung herangezogen werden.

Empörung nach Angriff

"Erschüttert" über den Angriff zeigte sich Bundeskanzler Sebastian Kurz. "Für Antisemitismus darf es in Österreich keinen Platz geben", erklärte Kurz auf Twitter und versprach eine rasche Suche nach dem Täter. Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen verurteilte den Angriff auf das Schärfste. "Judenhass und Antisemitismus haben keinen Platz in unserer Gesellschaft. Meine Solidarität gilt allen in Österreich lebenden Jüdinnen und Juden", teilte Van der Bellen auf Twitter mit. Grünen-Chef Werner Kogler zeigte sich auf Twitter "tief erschüttert".

Die Spitze der Landes- und Stadtpolitik traf sich am Sonntag, um über die aktuelle Lage zu beraten. Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP), Landeshauptmann-Stellvertreter Anton Lang (SPÖ), Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) und Vizebürgermeister Mario Eustacchio (FPÖ) zeigten sich zutiefst betroffen: "Wir stehen geschlossen hinter der jüdischen Gemeinde und wollen ein gemeinsames Zeichen der Solidarität setzen. Die Angriffe auf Elie Rosen und das jüdische Gebetshaus sind menschenverachtend und zutiefst verwerflich. Gegen diese aufkeimenden Hasstiraden müssen wir entschlossen vorgehen."

Der Grazer SP-Klubvorsitzende Michael Ehmann forderte den Bürgermeister auf, einen Krisengipfel mit allen politischen Parteien, dem städtischen Sicherheitsmanagement, der Grazer Polizei und der jüdischen Gemeinde einzuberufen. "Wir hoffen, dass der Täter bald gefasst wird und die Kultusgemeinde und ihre Mitglieder wieder ohne Angst sein können", so die Grazer KPÖ-Obfrau Elke Kahr.

Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka, erklärte Elie Rosen gelte "unser Mitgefühl und die Solidarität der Evangelischen Kirchen. Judenhass und Antisemitismus dürfen in Österreich keinen Platz haben." Auch der evangelisch-reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld hat mit Betroffenheit auf den Angriff reagiert. Er verurteile diese "antisemitische Untat aufs Schärfste", so Hennefeld. (cms, red, APA, 22.8.2020)