Wegen verschärfter Coronavirus-Kontrollen standen Urlaubsrückkehrer an der Grenze zwischen Österreich und Slowenien über Nacht stundenlang im Stau

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Die seit Samstag geltende Verordnung zu den Grenzkontrollen bei der Einreise nach Österreich hat in der Nacht auf Sonntag für ein totales Chaos gesorgt. Beim Karawankentunnel mussten die heimreisenden Urlauber laut Polizei bis zu zwölf Stunden auf die Abfertigung warten, und auch beim Loibltunnel dauerte es in der Nacht sieben Stunden, bis die Grenze passiert war.

Betroffene berichteten auf Twitter von zermürbend langen Wartezeiten. Am Samstag und in der Nacht auf Sonntag waren vor allem deutsche und niederländische Urlauber auf der Heimreise. Die Wartenden waren für einen derartigen Megastau natürlich nicht gerüstet, es taten sich grundsätzliche Probleme auf wie etwa die Frage, wo man auf die Toilette gehen konnte. Da musste teilweise die Autobahn herhalten. Den Reisenden gingen zudem die Getränke aus, keiner hatte damit gerechnet, die ganze Nacht vor dem Tunnel warten zu müssen. Das Rote Kreuz habe Getränke an einige Wartende verteilt.

"Es war sehr unbequem", erzählt Bernhard Neuhoff dem STANDARD. Er stand mit seiner fünfköpfigen Familie von 14.15 Uhr bis kurz vor sechs Uhr morgens im Stau. Seine Kinder seien zwischen 13 und 18 Jahre alt und schon groß. Sie hätten Verständnis gezeigt und bei einer Tankstelle in der Nähe Essen geholt. "Aber ich hab mich schon gefragt: Wie ist das, wenn man kleine Kinder hat, oder krank ist, eine körperliche Behinderung oder was auch immer hat?" erzählt Neuhoff.

Anfangs habe noch Partystimmung geherrscht. "Irgendwann sind die Leute ausgestiegen, haben Fußball gespielt. Ein Pärchen hat Frisbee gespielt", sagt Neuhoff. Junge Männer hätten Musik gespielt. Das ging bis etwa 22 Uhr. Dann sei die Stimmung gekippt. "Es gab dann eine Welle plötzlich, als alle anfingen zu hupen", sagt Neuhoff. "Die Leute waren einfach so wütend, die wollten sich bemerkbar machen."

Kaum österreichische Nummerntafeln

Auf der Autobahn in Slowenien waren am Wochenende kaum Autos mit österreichischen Nummerntafeln zu sehen. Viel mehr machten sich Polen, Tschechen, Deutsche oder Niederländer auf die Heimreise – viele kamen aus Kroatien, manche aber auch nur aus Slowenien und wollten einfach durch Österreich durchfahren. Gerade deshalb war es für viele unverständlich, weshalb die österreichische Polizei sie nicht einfach weiterfahren ließ und sich nicht viel mehr auf die österreichischen Rückkehrer konzentrierte.

Der Grund für die rekordverdächtigen Grenzwartezeiten war die neue Verordnung der österreichischen Bundesregierung. Demnach müssen Durchreisende ein Formular ausfüllen und bestätigen, dass sie eben nur Durchreisen und keinen Aufenthalt planen. Dazu habe es aber keine Informationen vorab gegeben, sagt ein Sprecher der Kärntner Landesregierung zum STANDARD. "Es ist Wochenende. Da schaut man dann auch nicht dauernd ins Ris (Anmerkung: Rechtsinformationssystem der Republik Österreich)." Das Gesundheitsministerium widerspricht: Die Novelle sei ebendort am Freitag veröffentlich worden, zudem habe es zwei Meldungen der Austria Presse Agentur gegeben, in denen die neuen Bestimmungen erwähnt werden.

Wartezeiten durch Formulare

Die Bezirkshauptmannschaften, die für die Grenzübergänge zuständig sind, haben am Samstag laut dem Sprecher die Kontrollen zunächst so durchgeführt, wie es zuvor vorgesehen war: mit Fokus auf Österreicher, die aus Kroatien kommen könnten. Dass nun auch Durchreisende kontrolliert werden müssen, sei erst im Laufe des Samstags klar geworden.

"Durch das Anhalten aller Personen ist es zu den Staus gekommen", sagte der Sprecher. Die Durchreisenden mussten Formulare ausfüllen, in denen sie bestätigen, dass sie nur durch Österreich durchreisen. Das Besprechen der Regelung und Ausfüllen der Formulare brauche Zeit.

Am Sonntag in den frühen Morgenstunden entschieden die Behörden dann, die extrem strengen Kontrollen für die Einreisenden aus Slowenien zu lockern. Daraufhin beruhigte sich die Situation ein wenig. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) erklärte, er habe wegen Gefahr im Verzug angeordnet, dass bei Transitreisenden nur noch stichprobenartige Kontrollen durchgeführt werden: "Das Menschenwohl steht da im Mittelpunkt."

"Extrem herausfordernd" auch für die Asfinag

Angesprochen darauf, ob er sich mehr Informationen vonseiten der Bundesregierung gewünscht hätte, äußert sich der Sprecher der Kärntner Landesregierung diplomatisch: "Man kann es natürlich kritisieren". Man hätte sich durch eine bessere Absprache jedenfalls früher gemeinsam die Frage stellen können, ob dieses Vorgehen Sinn macht.

Auch für die Asfinag war die Situation "extrem herausfordernd". Ein Stau im Tunnel musste verhindert werden. Er wurde deshalb zeitweise gesperrt und Fahrzeuge über Blockabfertigung durchgeführt. Denn wie eine Asfinag-Sprecherin gegenüber dem STANDARD erklärte: "Wenn die Leute im Tunnel aussteigen, ist das alles andere als eine unriskante Situation" Außerdem habe man Autofahrer über Ausweichrouten informiert.

Neue Formulare

Im Gesundheitsministerium wird bestätigt, dass Durchreisende nunmehr ein ausgefülltes Formular vorweisen müssen, in dem sie per Unterschrift bestätigen, abseits von Tank- und WC-Stopps keinen Halt in Österreich zu machen. Das Formular sei von den Reisenden selbst mitzubringen, heißt es laut Ministerium; es sei auf der Website downloadbar.

Die Verordnung sehe jedenfalls nicht vor, dass "jedes Auto kontrolliert werden muss", sagt eine Sprecherin. Die Behörden seien angewiesen, verhältnismäßig zu agieren. Insofern widerspreche sich die Verordnung auch nicht mit den Anweisungen des Kärntner Landeshauptmanns, der anordnete, Durchreisende nur mehr stichprobenartig zu kontrollieren.

Verwirrung um Verordnung

In Kärnten wiederum habe man die Information erhalten, dass die Aussicht bestehe, dass die Verordnung geändert würde, heißt es seitens eines Sprechers des Corona-Koordinationsgremiums des Landes. Ob die aktuelle Situation symptomatisch für die Verkündung neuer Corona-Regelungen sei? "Es ist schon öfter vorgekommen, dass Dinge per Pressekonferenz verkündet wurden, noch bevor wir informiert wurden. Der Vollzug ist für Behörden dann oft schwierig", sagt der Sprecher. Durchführbar sei die aktuelle Verordnung prinzipiell schon, heißt es. Die Frage sei nur, ob sie sinnvoll sei.

Fieberkontrollen werden sowohl in Kärnten als auch in Tirol stichprobenartig durchgeführt. Im Lauf des Vormittags verringerten sich die Staus an den Grenzübergängen von Slowenien nach Kärnten langsam.

Kritik aus Oppositionsreihen

Das deutsche Außenministerium in Berlin adaptierte in Folge am Sonntag die Reise- und Sicherheitshinweise bei Slowenien und Österreich und wies auf die Verzögerungen hin. Die Situation sei bekannt, hieß es, man wolle sich aber nicht öffentlich dazu äußern. Auch das kroatische Außenministerium hat sich über die Situation an der slowenisch-österreichischen Grenze besorgt gezeigt und dazu aufgerufen, so schnell wie möglich eine Lösung für eine schnellere Abfertigung an der Grenze zu finden.

Kritik kam indessen vonseiten der Opposition in Österreich. "Das Vorgehen der Regierung ist äußerst stümperhaft", befand etwa SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim in einer Aussendung. Dadurch würde kein effektiver Schutz der österreichischen Bevölkerung herbeigeführt. Vor allem, da als Reaktion auf die langen Wartezeiten nun ein "lockerer Vollzug" der Bestimmungen angeordnet wurde.

Einreise ohne Test

Am Freitag noch waren hauptsächlich Autos mit österreichischen Nummerntafeln an der Grenze herausgefischt worden. Wer beweisen konnte, dass er in Slowenien ein Zimmer gebucht hatte, wurde zuweilen auch gar nicht gefragt, ob er sich vorher in Kroatien aufgehalten hat. Deshalb ist es durchaus möglich, dass Österreicher, die zuvor in Kroatien, auch in Risikogebieten wie etwa in Split oder auf der Insel Brač waren und danach Zwischenstation in Slowenien machten, ohne Tests einreisen können.

Fraglich ist, weshalb die österreichischen Behörden nicht mehr auf Datenaustausch setzen. Die Pässe jener Bürger, die nach Kroatien einreisen, werden nämlich an der Grenze meist eingescannt, weil Kroatien nicht zum Schengen-Raum gehört. Wenn man die Daten von Kroatien bekommen würde, wüssten die österreichischen Behörden, welche Österreicher tatsächlich in Kroatien waren und welche nicht. Zur Zeit setzen die Beamten an der Grenze auf Befragungen der Reisenden und das Vorweisen von Buchungsunterlagen. In Kroatien selbst sollte man sich einige Tage vor dem Testtermin bei einer der 22 Kliniken melden, um einen Termin auszumachen und die Testkosten auf ein Konto zu überweisen.

Die Wartezeiten sind unterschiedlich. Während man in Zagreb etwa zwei Tage im Vorhinein einen Testtermin vereinbaren muss, kann es in Split auch eine Woche dauern. Allerdings haben die Gesundheitsinstitute nun Möglichkeiten geschaffen, für einen Aufpreis auch innerhalb von 24 Stunden einen Test in Split machen zu können. Auch die Preise für PCR-Tests in Kroatien sind recht unterschiedlich. In Dubrovnik im Spital muss man 200 Euro für einen Abstrich hinlegen, in Zagreb oder in Zadar kostet es nur die Hälfte. Die Testergebnisse werden zumeist innerhalb von 24 Stunden übermittelt – in anderen Fällen geht es schneller, zuweilen braucht es aber auch zwei Tage. In Slowenien kann man für 100 Euro einen Test bei staatlichen Gesundheitseinrichtungen machen, auch dort muss man sich voranmelden. Auf dem Balkan ist die Test-Situation viel schwieriger. In Sarajevo etwa muss man sich bis zu zehn Tage voranmelden, um einen Test durchführen zu können. (Ana Grujić, Flora Mory, Vanessa Gaigg, Adelheid Wölfl, APA, 23.8.2020)