Rechtsextreme Nachrichten und andere Grauslichkeiten, die in einer Grazer Polizeiinspektion verbreitet worden sein sollen, wurden zum Gegenstand umfassender Ermittlungen.

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So sei es nun einmal bei der Polizei, erklärte der Anwalt einer angeklagten Gruppeninspektorin vor Gericht: Man schicke einander "Katzen- und Babyfotos, aber auch grausliche Dinge". Um die "grauslichen Dinge" geht es bei diesem Prozess, dessen erster Verhandlungstag Anfang Juli in Graz stattgefunden hat. Polizist S. – derzeit suspendiert – und Polizistin R. – nicht suspendiert – waren nach dem Verbotsgesetz angeklagt worden. Auf deren Smartphones fanden die Ermittler Ungeheuerliches.

Besonders brisant: Die betroffenen Beamten sind im selben Gebäude tätig gewesen wie jene Kollegen, die für den Schutz der nahe gelegenen Synagoge zuständig sind. Aber einer Verkehrspolizeiinspektion zugeordnet waren. In dem Stützpunkt in der Karlauerstraße gibt es unter anderem drei Verkehrsinspektionen, eine Polizeiinspektion, das Stadtpolizeikommando und das Einsatzkommando Cobra Süd. Der mutmaßliche Täter wird zudem verdächtigt, Elie Rosen, den Präsident der Jüdischen Gemeinde Graz, am Samstagabend mit einem Holzprügel attackiert zu haben.

Nazi-Memes als Wiedergutmachung

Gruppeninspektorin R. schickte ihrem Kollegen S. zynische "Memes", die sich über die Grauen des Holocaust lustig machen. Zum Beispiel: "Wie fandet ihr den Ausflug ins KZ? Atemberaubend!" Oder ein Hitlerbild mit dem Aufdruck: "Du bist lustig, dich vergas’ ich als letzten". Der Angeklagte dazu: Das Versenden von "Hitlervideos ist in Polizeikreisen Usus", wie eine detaillierte Prozessmitschrift des antifaschistischen DokuService Graz zeigt.

Warum machte R. beim Versand von Nazi-Memes mit? S. hatte eine Kollegin belästigt und daraufhin die mit ihr befreundete R. geschnitten. Da sie wusste, dass ihn "Bezüge zur NS-Zeit" interessieren, wollte sie sich mit Nazi-Memes wieder gut stellen. Und woher sie das wusste? S., der Bruder einer einstigen FPÖ-Abgeordneten, machte aus seiner Gesinnung offenbar keinen Hehl – zumindest, wenn man den Belastungszeugen vor Gericht glaubt. Auch laut der zweiten Angeklagten war seine Gesinnung "allgemein Gesprächsthema".

Am Polizeirevier soll er gemeint haben, "Schwule gehören alle nach Dachau"; als eine Zeitzeugin im Fernsehen auftrat, rief er "Halt die Pappn du alte Drecksau, du gehörst ja auch vergast!". Zwei Kollegen bestätigen, dass R. beim Graz-Marathon meinte, "dem 3. Reich nach sind Frauen Rasse zweiter Klasse".

Shakira, die SS und die "Schwarze Sonne"

Bei der Hausdurchsuchung wurden die Ermittler des steirischen Landesamts für Verfassungsschutz fündig: Sie entdeckten einen Pullover mit dem Aufdruck der "Schwarzen Sonne", die von der SS benutzt wurde. Der Angeklagte meint, er sei Fan der Popsängerin Shakira – und das sei deren Symbol. 408 Mal soll er laut Akt den Namen "Adolf Hitler" gegoogelt haben. Adolf soll auch sein Hund geheißen haben, wie Zeugen sagen. "Nein, Idolf", so der Polizist, wie er per notariellem Akt bezeugen will. Weil der Hund wie der gleichnamige Ikea-Stuhl aussehe. Der Staatsanwalt widersprach dem: Er legte ein SMS von S. an seine Schwester, die Ex-Abgeordnete vor: "Wo sind die Entwurmungstabletten für Adolf?" Sie, die zu einer Splittergruppe der Freiheitlichen ging, hatte laut Akt auch Kontakt zum mittlerweile verstorbenen Neonazi Gerd Honsik, fragte ihn: "welchen Vorgang schlagen Sie im Umgang mit Strache und seinen Goi (Nicht-Jude oder nicht-gläubiger Jude, Anm.) vor"?

Doch vor Gericht mauern die meisten von S.’ Kollegen: Neun andere Polizisten meinen, von dessen Rechtsextremismus und Frauenfeindlichkeit nichts mitbekommen zu haben. Ein weiterer Zeuge war bereits in einem anderen, später eingestellten Verfahren Beschuldigter; es ging um einen Schneemann mit Hitlergruß-ähnlicher Handhaltung. Ins Rollen gebracht wurde der Fall nur, weil sich sich die zweite Angeklagte an die Gleichstellungsbeauftragte wandte und im Gespräch der Hund namens Adolf Thema wurde. Der Prozess wird im September fortgesetzt, dann sollen weitere Zeugen befragt werden. S.’ Anwalt Bernhard Lehofer, der schon Identitäre vertreten hat, sagt dem STANDARD: "Mein Mandant hat sämtliche gegen ihn erhobenen Vorwürfe bereits anlässlich der Hauptverhandlung bestritten". Er werde sich "nicht schuldig bekennen".

Nicht das einzige Netzwerk

Der Prozess fügt sich in eine Reihe von Vorfällen im deutschsprachigen Raum ein und wirft heikle Fragen auf: Wie konnten die Vorgesetzten nichts entdeckt haben? Oder wurde S. wie eine heiße Kartoffel von Dienststelle zu Dienststelle verschoben, damit man sich des Problems entledigt? Und wie ist der Umgang mit Frauen bei der Polizei, wenn diese rasch als "Unruhestifter" abgetan werden, weil sie männliche Annäherungsversuche ablehnen?

Regelmäßig werden vor allem in Deutschland Netzwerke mit Soldaten und Polizisten entdeckt, in denen rechtsextreme bis neonazistische Inhalte geteilt werden. Zuletzt wurde entdeckt, dass ein pensionierter Polizist unter dem Namen "NSU 2.0" Drohmails an Prominente versandt hatte. Wie in anderen Fällen steht die Frage im Raum, ob hier auf Polizeidaten zugegriffen wurde. Auch in der deutschen Bundeswehr gibt es rechtsextreme Tendenzen, vor allem in der Eliteeinheit KSK. Im Herbst startet der Prozess gegen Franco A., der am Flughafen Wien eine Waffe versteckt und sich zuvor als syrischer Flüchtling ausgegeben hatte. In Österreich wurden beispielsweise rechtsextreme und rassistische Tendenzen bei jener Einheit thematisiert, die das damals blaue Innenministerium für die Razzia im Verfassungsschutz vorgeschlagen hatte.

Keine Datenbank für derartige Vorfälle

Das Innenministerium sagt auf Anfrage des STANDARD, dass keine eigene Datenbank für rechtsextreme Vorfälle in der Polizei geführt werden. Ermittlungen gab es "in mehreren Fällen". Was tut man dagegen? "Im Rahmen der Grund- und Fortausbildungslehrgänge ist auch der Themenbereich des Rechtsextremismus, Verhalten und der Umgang damit, ein Teil der Ausbildung", so das Ministerium. Die antifaschistische Plattform "Stoppt die Rechten" zählt über zwanzig Vorfälle mit rechtsextremen Polizisten in den vergangenen Jahren; allein im Juni 2019 liefen laut einer parlamentarischen Anfragebeantwortung fünf Verfahren wegen Wiederbetätigung.

Der ehemalige grüne Abgeordnete Karl Öllinger, der die Plattform mitbetreibt, schreibt dazu: "Die Wagenburgmentalität in der Polizei ist eine sehr große Hürde für Polizist*innen, die gegen rassistische und rechtsextreme Kollegen vorgehen wollen." Er denkt, dass die Dunkelziffer an Fällen weit höher ist. Der grüne Sicherheitssprecher Georg Bürstmayr sagt dazu: "Natürlich gilt auch für die jetzt angeklagten BeamtInnen die Unschuldsvermutung. Aber wenn wir im Zusammenhang mit der Polizei bei Anklagen nach dem Verbotsgesetz erst einmal die Unschuldsvermutung bemühen müssen, dann müssen sämtliche Alarmglocken läuten". Er will den Prozess in Graz genau verfolgen und gegebenenfalls parlamentarisch aufrollen. (Fabian Schmid, 23.8.2020)