Zug – Im Rechtsstreit zwischen der Schweizer Journalistin und ehemaligen Grünen-Politikerin Jolanda Spiess-Hegglin und dem Ringier-Verlag hat das Zuger Obergericht in zweiter Instanz ein Urteil gegen das Boulevardblatt "Blick" bestätigt. Die Zeitung habe "in schwerwiegender Weise in die Intimsphäre" von Spiess-Heggelin "eingegriffen und damit ihre Persönlichkeit verletzt", heißt es in dem Urteil, das am Montag bekannt wurde.

Der Rechtsstreit dreht sich um einen Artikel, der von "Blick" am 24. Dezember 2018 unter dem Titel "Sex-Skandal um SVP-Politiker: Hat er sie geschändet?" veröffentlicht wurde. Die Zeitung hatte darin Name und Foto von Spiess-Hegglin als mutmaßliches Opfer eines Sexualdelikts veröffentlicht, DER STANDARD berichtete.

Die vom "Blick" vorgebrachten Rechtfertigungsgründe für eine Publikation ließt das Obergericht nicht gelten. So sei kein "gewichtiger Zusammenhang" zwischen dem möglichen, an Spiess-Hegglin begangenen Sexualdelikt "und ihren politischen und behördlichen Funktionen erkennbar, für die im Rahmen der demokratischen Kontrolle ein erhöhtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestehen würde".

Sachverhalt stärker eingegrenzt

Laut einem SRF-Bericht reduziert das Gericht die Genugtuung, die Ringier an Spiess-Hegglin zahlen muss, um die Hälfte auf 10.000 Franken. Zudem müsse Ringier vier Fünftel der Gerichts- und Anwaltskosten tragen. Die Entschädigung falle geringer aus, weil das Obergericht den Sachverhalt stärker eingrenzt und lediglich für den Artikel zu Weihnachten 2014 und die unmittelbaren, zeitlich beschränkten Folgen eine Genugtuung ausspricht.

Die Forderung von Spiess-Hegglin nach einer gerichtlich angeordneten Publikation einer Entschuldigung hat nach dem Kantonsgericht nun auch das Obergericht abgelehnt. Man wolle sich "trotzdem entschuldigen", ließ Ringier-CEO Marc Walder indessen am Montagmorgen auf der "Blick"-Website wissen. Und weiter: "Jolanda Spiess-Hegglin wird die Klagen gegen Ringier weiterführen und aufgrund dieser Zeilen nicht fallen lassen. Dies ist auch nicht die Absicht, die wir mit dieser Entschuldigung verfolgen."

Spiess-Hegglin zeigte sich gegenüber dem STANDARD mit dem Urteil des Obergerichts sehr zufrieden, da es "noch viel deutlicher ausgefallen" sei als das letztjährige des Kantongerichts. Das Urteil des Obergerichts ist nicht rechtskräftig und kann an das Bundesgericht weitergezogen werden. (red, 24.8.2020)