Die Sonderpolizei Omon geht seit Wochen gewalttätig gegen Demonstranten vor.

Foto: EPA / TATYANA ZENKOVICH

Minsk/Warschau – Inmitten der Massenproteste gegen den autoritären Langzeitstaatschef Alexander Lukaschenko hat in Belarus (Weißrussland) die Sonderpolizei Omon zwei prominente Anführer der Demokratiebewegung festgenommen. Olga Kowalkowa und Sergej Dylewski seien in Minsk in einen Gefangenentransporter gesteckt worden, teilte die Opposition am Montag mit.

Die Behörden bestätigten die Festnahme, deren Grund war unklar. Lukaschenko hatte mehrfach gedroht, den Koordinierungsrat der Opposition zu zerschlagen, am Wochenende kündigte er ein hartes Vorgehen gegen Verstöße gegen die öffentliche Ordnung an. Er erklärte das Gremium, das einen Dialog mit dem Machtapparat anstrebt, für illegal. Kowalkowa und Dylewski arbeiten im Präsidium des Koordinierungsrats.

Kreml sieht Gefahr

Auch aus der Sicht Russlands ist der Koordinierungsrat eine Gefahr. In einigen Dokumenten des Gremiums sei "der Schwerpunkt auf das Abnabeln von Russland gelegt" worden, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag der Agentur Interfax zufolge. "Der Kreml neigt zu Politikern in Belarus, die für eine Kooperation mit Russland sind", fügte Peskow hinzu.

Die USA sehen hingegen keine Anzeichen dafür, dass Russland eine militärische Intervention in seinem Nachbarland Belarus plant. Ein solcher Schritt wäre "in höchstem Maße unerwünscht", sagte der stellvertretende US-Außenminister Stephen Biegun am Montag in der litauischen Hauptstadt Vilnius. "Aber wir haben keinen Hinweis, der über einige öffentliche Erklärungen, die wir gehört haben, hinausginge." Biegun hatte zuvor mit Swetlana Tichanowskaja beraten, der wichtigsten Oppositionskandidatin bei der umstrittenen Präsidentenwahl in Belarus.

Österreichisches Außenministerium forder Dialog

Biegun appellierte an die Führung in der belarussischen Hauptstadt Minsk, das Vermittlungsangebot der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) anzunehmen. Alle Beteiligten müssten einbezogen werden. "Die Vereinigten Staaten können und werden nicht über den Verlauf der Ereignisse in Belarus entscheiden. Dies ist das Recht des belarussischen Volkes." Bieguns Reise nach Litauen, das an Belarus grenzt, signalisiert ein größeres Engagement der US-Regierung beim Versuch, den Konflikt beizulegen.

Das österreichische Außenministerium reagierte mit einer Stellungnahme auf die Festnahmen: "Wir fordern die sofortige Freilassung der belarussischen Oppositionellen Kowalkowa und Dylewsky", hieß es in dem der APA übermittelten Text. Es sei "höchst an der Zeit, endlich in Gespräche mit der Opposition einzutreten", so die Forderung an Lukaschenko.

Bemühung um Dialog

Seit mehr als zwei Wochen gibt es in dem Land Proteste und Streiks in den Staatsbetrieben. Am Sonntag waren nach Schätzungen unabhängiger Medien mehr als 200.000 Menschen auf den Straßen in Minsk, um Lukaschenkos Rücktritt zu fordern. Das Innenministerium gab die Zahl dagegen mit maximal 20.000 an.

Das Gremium mit Vertretern der Zivilgesellschaft bemüht sich um einen friedlichen Machttransfer. Prominentestes Mitglied ist die Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch. Die Gründung des Rats hatte die Bürgerrechtlerin Tichanowskaja angeregt. Die Opposition sieht die 37-Jährige als Siegerin der Präsidentenwahl vom 9. August. Dagegen hatte sich Lukaschenko unter undemokratischen Bedingungen zum sechsten Mal als Staatschef ausrufen lassen – mit 80 Prozent der Wählerstimmen.

Tichanowskaja meldet sich aus Exil

Tichanowskaja setzt trotz Repressalien gegen Regierungsgegner weiter auf Dialog. Sie hoffe, dass Gespräche mit der Führung bald in Gang kämen, sagte sie der polnischen Zeitung "Gazeta Wyborcza" in einem am Montag veröffentlichten Interview.

Dazu solle der vorige Woche gegründete Koordinationsrat der Opposition als Ansprechpartner dienen. Vorbedingung für die Gespräche sei jedoch die Freilassung von politischen Gefangenen. Der Regierungsapparat wirft dem von Tichanowskaja mitbegründeten Rat allerdings vor, illegal die Macht ergreifen zu wollen, und hat strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet.

Die frühere Englischlehrerin hatte anstelle ihres Ehemanns kandidiert, nachdem der regierungskritische Blogger im Mai festgenommen worden war. Nach der Wahl war sie nach Litauen ins Exil gegangen. Tichanowskaja schloss in dem Interview erneut aus, dass sie nochmals um die Präsidentschaft kandidieren wird, falls es zu Neuwahlen kommt. Ihr Mann würde dann aber wohl antreten, fügte sie hinzu.

Lukaschenko droht Lehrern

Vor Beginn des neuen Schuljahrs ergreift Lukaschenko Maßnahmen, um Proteste und Streiks zu unterbinden. Der Staatsagentur Belta zufolge sagte er, dass alle Lehrer, die ihn nicht unterstützen, entlassen werden sollen. Er hatte immer wieder Beschäftigten im Staatsdienst mit Kündigung und Entzug ihrer Lebensgrundlage gedroht, sollten sie die Proteste unterstützen.

Mehrere Lehrer, aber auch Angehörige der Sicherheitsdienste und Beschäftigte im Außenministerium sowie Journalisten bei den Staatsmedien haben sich bereits öffentlich von Lukaschenko abgewendet – teils in Videobotschaften. Der Staatschef hatte im Fall der Journalisten gesagt, dass die Konkurrenz groß sei. Er bestellte sich aus dem Nachbarland Russland Korrespondenten der Staatsmedien. (APA, 24.8.2020)