Richterin Katharina Adegbite-Lewy ist die Vorsitzende in einem Schöffenverfahren gegen einen 15-Jährigen, der versucht haben soll, eine Mitschülerin zu vergewaltigen.

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Wien – Bei seiner Einvernahme durch die Polizei hat der 14 Jahre alte Schüler E. sein Verhältnis zu einem 15-jährigen Mädchen aus einer Parallelklasse noch ganz anders geschildert. "Es gab Anzeichen, dass zwischen uns etwas passieren könnte", erzählte er damals noch, dass er sich Hoffnungen auf einvernehmlichen Geschlechtsverkehr am 20. Februar machte. Vor einem Schöffengericht unter Vorsitz von Katharina Adegbite-Lewy, vor dem er sich wegen versuchter Vergewaltigung verantworten muss, will er von seinen Hoffnungen nun nichts mehr wissen.

Staatsanwalt Filip Trebuch wirft dem unbescholtenen Teenager vor, das Mädchen am Tattag zu ihrer Wohnung begleitet zu haben, obwohl er selbst am anderen Ende von Wien wohnt. Während er vor der Wohnung wartete, zog sich das Mädchen um, schon bei der Liftfahrt nach unten soll er sie danach an den Brüsten berührt haben.

Notdurft im Müllraum

Im Erdgeschoß meldete er an, seine Notdurft verrichten zu müssen, und ging in den Müllraum. Dort soll er sie hineingezogen haben, neuerlich ihre Geschlechtsteile berührt und schließlich versucht haben, ihre Hose zu öffnen, um sie zu vergewaltigen. Nur das Erscheinen von zwei Unbekannten brachte ihn dazu, seinen Plan aufzugeben, ist der Ankläger überzeugt.

Verteidiger Oliver Ertl hält die Angelegenheit dagegen für juristisch schwer überbewertet. In der Pubertät würden die Hormone verrückt spielen, es sei in diesem Alter normal, bei "spielerischem Gerangel" das andere Geschlecht zu berühren, erklärt er in seinem Eröffnungsplädoyer. Eine Vergewaltigungsabsicht habe jedenfalls nie bestanden, gibt er sich überzeugt.

E. selbst bekennt sich teilweise schuldig – wofür, wird nicht ganz klar. Denn seiner Version nach ist nicht einmal entfernt etwas Ungesetzliches geschehen. "Sie hat gesagt, sie muss sich umziehen. Unten bin ich dann in den Müllraum. Ich habe sie einmal gefragt, ob sie mit reinkommen will, sie hat Nein gesagt. Dann kam sie doch rein, wir haben uns einmal umarmt. Danach hat sie an ihre Freundin eine Nachricht geschickt, dass sie sich verspätet", versucht der Schüler den Senat zu überzeugen.

Belastende Beweise

Der Versuch scheitert gleich auf mehreren Ebenen. Erstens gibt es Aufnahmen aus einer Überwachungskamera des Müllraums, die seine Darstellung widerlegen. So ist zu sehen, dass E. das Mädchen am Arm packt und in den Raum zerrt.

Dann gibt es einen Whatsapp-Verkehr zwischen seinem Account und dem des Mädchens. "Also morgen, ich will, dass es richtig geil wird", ist da ebenso zu lesen wie die Antwort der 15-Jährigen: "Zwischen uns ist nichts und wird nichts sein." Am Tag nach der Tat schrieb er ihr dann, dass es ihm leidtue.

"Warum?", fragt die Vorsitzende logischerweise. "Weil sie gesagt hat, dass ich sie verletzt habe." Wobei er im weiteren Verlauf des Verfahrens überhaupt abstreitet, eine der Nachrichten verfasst zu haben. Denn er habe zu dem Zeitpunkt gar kein Mobiltelefon gehabt. Das Mädchen dafür seine Login-Daten, stellt E. in den Raum, dass sie die Dialoge selbst geschrieben habe.

"Einmal rein und raus"

Drittens spricht seine ursprüngliche Aussage bei der Polizei gegen seine nunmehrige Version. Dort hat er noch davon gesprochen, er habe sie "um zwei Minuten" gebeten. "Er will einmal rein und raus", wie die überaus glaubwürdig wirkende Zeugin bei ihrer auf Video vorgespielten kontradiktorischen Einvernahme schildert. Nun bestreitet E., so etwas bei der Exekutive je gesagt zu haben. Auf Adegbite-Lewys Ermahnung, dass ihm auch eine Anklage wegen Verleumdung drohe, wenn er Beamte beschuldigt, absichtlich falsch protokolliert zu haben, zieht er sich auf den Standpunkt zurück, es müsse sich um ein Missverständnis gehandelt haben. Wo die dokumentierten Schürfwunden und Kratzer des Mädchens herkommen, kann er sich nicht erklären.

"Warum soll die Mitschülerin das erfinden und Sie zu Unrecht beschuldigen?", interessiert die Vorsitzende. E. hat eine Theorie: "Sie hat einmal gesagt, dass ich ihrer besten Freundin wehgetan habe, vielleicht will sie sich rächen."

Vater nicht einverstanden

Das glauben die Berufs- und Laienrichter nicht und verurteilen E. nach kurzer Beratung zu 18 Monaten bedingter Haft. Zusätzlich muss er Bewährungshilfe in Anspruch nehmen, eine Psychotherapie absolvieren und dem Opfer 100 Euro zahlen. Sein im Saal anwesender Vater ist mit dem Urteil nicht einverstanden, nach Rücksprache mit dem Verteidiger meldet dieser Nichtigkeit und Berufung an. Auch Staatsanwalt Trebuch gibt keine Erklärung ab, die Entscheidung ist daher nicht rechtskräftig. E. geht mittlerweile auf eine andere Schule. (Michael Möseneder, 24.8.2020)