Sir András Schiff bei einem Konzert anno 2015.

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Sir András spielt keinen schwarzen Flügel, sondern ein rot-schwarz geflammtes Prunkstück. Es wirkt wie ein Tiger, umso erstaunlicher der Kontrast zwischen diesem exaltierten Instrument und dem verinnerlichten Klang, den Schiff Schuberts eröffnendem Allegretto c-Moll D 915 gönnt. Eine dünne Eisschicht scheint die Emotionen zu bedecken.

Mit dem ersten Teil von Janáčeks Miniaturen Auf verwachsenem Pfade führte Schiff am Sonntagabend im Haus für Mozart deutlich tiefer in musikalische und emotionale Unabwägbarkeiten und ließ da und dort expressive Qualitäten erahnen. Komponist Janáček erinnert sich hier an seine verstorbene Tochter und gemeinsame Wanderungen: etwa im vierten Stück an einen Pilgergang zum Gnadenbild der Frydecker Mutter Gottes. Schiff ließ die Erinnerung an Unsere Abende mit gefasster Rührung vorüberziehen.

Auf in Schuberts Welt

Ohne Applauspause führte er sein Publikum in die Welt von Schuberts Sonate für Klavier G-Dur D 894. Es war pure Energie, denn hier erst ließ Schiff den lauernden "Klavier-Tiger" los. Die tiefen Lagen von gehaltvoller Intensität, die hohen von schimmerndem Glanz, die Mittellage von weicher Gesanglichkeit und der Gesamtsound bis auf wenige Prankenhiebe geschmeidig.

Vieles zu bewundern: das In- und Nebeneinander von Dramatik und Delikatesse, die Wechsel zwischen scheinbar geruhsam aufgefädelten Klangperlen und kraftvoll geschlagenen Akkorden. All das ließ Schiff sich wie aus dem Nichts ereignen. Die Rondo-mäßig wiederkehrenden Passagen, sei es im Andante oder im Allegretto, ließ Schiff in immer wieder neu geschliffenen Facetten erklingen, die nächste immer noch brillanter als die vorangehende. Die virtuose und zugleich musikantische Brillanz des Allegrettos ließ quasi den Atem anhalten. Ein Erlebnis.

Ein Zugabenblock mit Schuberts Ungarischer Melodie, einem virtuosen Rondo von Béla Bartók, dem ersten Satz von Mozarts "facile" Sonate KV 545 und Robert Schumanns Fröhlichem Landmann war der opulent-delikate Kehraus. (Heidemarie Klabacher, 25.8.2020)