Olaf Scholz und Pamela Rendi-Wagner trafen sich am Montag zum Austausch.

Foto: apa / georg hochmuth

Wien – Wenn eine ohnehin komplizierte Welt sich in der Krise befindet, ist es beruhigend, wenn man sich auf Universales verlassen kann – so konnte man zumindest SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner verstehen, als sie bei der Pressekonferenz nach einem Arbeitsgespräch mit dem deutschen Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte: "Egal wo Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten hinkommen, sie bekommen immer die gleichen Fragen." Die Frage, die die Parteichefin hier scherzhalber kommentierte, war eine nach den schlechten roten Umfragewerten, mit denen beide Parteien zu kämpfen haben.

"Zweite Pleitewelle"

Einen gewichtigen Unterschied gibt es aber zwischen den österreichischen Roten und den deutschen: Jene im großen Nachbarland sind in der Regierung. Grund genug für Rendi-Wagner, Scholz' Arbeit als Finanzminister zu loben. Das deutsche Corona-Konjunkturpaket sei nämlich "groß, unbürokratisch, schnell" und zeige seine Wirkung: Der Anstieg der Arbeitslosigkeit sei in Deutschland sehr viel geringer ausgefallen als in Österreich. Es mache eben "einen Unterschied, wer regiert", sagte Rendi-Wagner – das gelte besonders für Krisenzeiten.

Die Parteichefin und Klubobfrau warnte vor einer "zweiten Welle der Arbeitslosigkeit" in Österreich und vor einer "zweiten Pleitewelle": "Das darf nicht passieren", erklärte sie.

Scholz wurde von seiner Partei kürzlich zum Kanzlerkandidaten gekürt, nachdem er die Stichwahl für den Parteivorsitz verloren hatte. Und auch wenn die Bundestagswahl erst 2021 stattfinden wird, setzte er schon zu so etwas wie einer Wahlkampfrede an: "Die Corona-Krise belehrt alle eines Besseren, die glauben, sie kämen alleine besser zurecht." Das umfangreiche Wirtschaftspaket in Deutschland sei der beste Beweis, dass es gemeinsam am besten gehe: Auf 24 Monate wurde dort das Kurzarbeitprogramm ausgeweitet, um Unternehmen und Beschäftigten bis zum Ende der Krise größtmögliche Sicherheit zu verschaffen.

Scholz in der Zib-2

Rendi-Wagner schien nicht nur von Scholz' Politik angetan, sondern auch von seinem innerparteilichen Standing: Die Geschlossenheit seiner Partei bei der Entscheidung für ihn als Kanzlerkandidaten habe "dazu geführt, dass die SPD schon an Vertrauen gewonnen hat".

Im Zib-2-Interview sprach auch Armin Wolf den deutschen Finanzminister auf das Verhältnis in seiner Partei an. Vor allem darauf, warum Scholz glaubt, Kanzler werden zu können – wo er doch 2019 nicht zum Parteivorsitzenden gewählt worden ist. "Meine Partei hat im letzten Jahr eine schwierige Phase gehabt", sagt Scholz dazu. Um dann hinzuzufügen: "Wir haben uns Stück für Stück herausgearbeitet."

Thema waren auch die Mittel aus dem EU-Wiederaufbaufonds. Diese werden nach Ansicht des deutschen Vizekanzlers über neue Einnahmequellen der Europäischen Union zurückbezahlt werden. "Das wird auch nicht mehr zu vermeiden sein, weil wir sonst zu Lasten des EU-Haushalts die Refinanzierung hinbekommen müssen", sagte der SPD-Politiker.

Scholz spricht von "Hamilton-Moment"

Insofern sei damit "der nächste große Schritt" verbunden, nämlich nicht nur die Kreditaufnahme, sondern auch die Rückzahlung, so Scholz weiter. "Das wird ein großer, nicht rückgängig zu machender Fortschritt für die EU sein." Es gehe jetzt um die Bekämpfung der aktuellen Krise, aber "wer sich so zusammenschließt, um so viel gemeinsam zu schultern", mache "einen großen Schritt nach vorne". Scholz sprach von einem "Hamilton-Moment" für die EU – in Anlehnung an den US-Finanzminister Alexander Hamilton, der Ende des 18. Jahrhunderts die Vergemeinschaftung der Schulden in den USA durchgesetzt hatte.

Im weiteren Interview-Verlauf lässt Scholz sich nur nach mehrmaligem Nachfragen auf Ab- oder Zusagen für mögliche Koalitionsoptionen festnageln. Scholz Credo ist: "Wer regieren will, muss regierungsfähig sein" Auf Wolfs Nachfrage, ob etwa die Linke regierungsfähig sei, weicht Scholz aus. Die Antworte müsse jeder selbst im kommenden Jahr geben. Zur großen Koalition mit der CDU/CSU, in der die SPD gerade reagiert, sagt Scholz aber: "Für mich ist ganz klar, dass mal ein Wechsel her muss. Und dass die CDU/CSU sich in der Opposition ganz gut regenerieren können" (sefe, APA, red, 24.8.2020)