Die ganze Welt hofft auf eine rasche Impfung gegen das Coronavirus als einzig wirksames Mittel gegen die Pandemie. Doch wenn Politiker Schritte setzen, um eine Vakzine möglichst rasch in Umlauf zu bringen, werden sie dafür von Wissenschaftern und Kommentatoren verdammt.

So ging es dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, nachdem sein Land in Rekordzeit die erste Covid-19-Impfung zugelassen hatte. Nun droht US-Präsident Donald Trump ein ähnliches Schicksal: Führende Beamte der Zulassungsbehörde FDA drohen bereits mit Rücktritt, sollte Trump tatsächlich anordnen, dass eine Impfung noch vor den Präsidentenwahlen im November auf den Markt kommt.

Mit Hochdruck wird weltweit an der Entwicklung eines Impfstoffs gegen das Coronavirus geforscht.
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Der Widerstand gegen solche Expressverfahren ist gut begründet: Anders als andere Arzneien werden Impfungen gesunden Menschen verabreicht und müssen daher besonders hohen Standards entsprechen. Die heute genutzten Impfungen gelten alle als sicher und effektiv, weil sie intensiv an großen repräsentativen Bevölkerungsgruppen getestet wurden.

Für das Coronavirus wurden diese Phase-3-Tests massiv beschleunigt, und einer von ihnen könnte in einigen Monaten einen verlässlichen Wirkstoff ergeben. Aber ohne solche robusten Ergebnisse sind Impfungen wie Russlands "Sputnik V" ein Vabanquespiel. Erweisen sie sich als mangelhaft, würde dies die Covid-19-Forschung zurückwerfen und das ohnehin schwache Vertrauen breiter Bevölkerungsgruppen in eine zukünftige Corona-Impfung noch mehr untergraben.

Spielball der Politik

Das Problem entsteht dort, wo der Zulassungsprozess zum Spielball der Politik wird. Das ist in autoritär regierten Staaten recht wahrscheinlich, aber auch in Trumps Amerika. Denn für seine Wiederwahl ist der US-Präsident bereit, alle Normen und Regeln zu brechen. Auch jüngste Zulassungsverfahren für Therapien waren in den USA offenbar politisch motiviert.

Allerdings sollten auch die Behörden in Europa an die Zulassung einer Corona-Impfung etwas forscher als üblich herangehen und neben der Sicherheit auch den dringenden Bedarf bedenken, vor allem für kritische Gruppen wie dem Gesundheitspersonal. Ab wann ein Mittel tatsächlich breit eingesetzt werden darf, ist stets auch eine Abwägungsfrage. Hundertprozentige Sicherheit gibt es nie.

Letztlich wird das Rennen um eine Impfung weniger bei der Entwicklung oder Zulassung entschieden als bei der Produktion. Sobald ein Wirkstoff bewilligt ist, müssten in kurzer Zeit Milliarden von Dosen hergestellt und verteilt werden. Das geht nur, wenn die passenden Produktionsstätten bereits stehen.

Wie der britische "Economist" vor kurzem schrieb, müssten die Staaten ein Vielfaches der heutigen Mittel ausgeben, um jetzt schon Anlagen für noch nicht fertig getestete Wirkstoffe zu errichten – im Wissen, dass die meisten nie zum Einsatz kommen werden. Wird das verabsäumt und kommt dann noch der Impfstoff-Nationalismus ins Spiel, dann droht kommendes Jahr eine Situation, in der es zwar getestete Impfstoffe gibt, aber nicht für die Menschen, die sie brauchen. (Eric Frey, 25.8.2020)