Sieht man sich die Chronologie der Vorfälle in Graz während der letzten Woche an, kann man ohne Übertreibung von atemberaubenden Entwicklungen sprechen. Drei Übergriffe auf die Synagoge in wenigen Tagen – darunter als trauriger Höhepunkt der Angriff auf den Präsidenten der jüdischen Gemeinde in Graz, Elie Rosen. Danach spontan mehrere Mahnwachen und Solidaritätskundgebungen der Bürgerinnen und Bürger – unter Mitwirkung der jüdischen und muslimischen Jugend. Und schließlich schon am Sonntag die Festnahme eines Verdächtigen, der mittlerweile geständig war.

Dreimal wurde die Grazer Synagoge innerhalb von vier Tagen von einem antisemitischen Angreifer heimgesucht.
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Die Polizei konnte hier schnell einen Erfolg verbuchen, nachdem sie anfangs mit dem Schutz der Synagoge auf sich warten ließ. Der laut Behörden radikalislamistische Täter, ein Flüchtling aus Syrien, war hoffentlich allein aktiv.

Der Auftritt von Innenminister Karl Nehammer am Montag lässt hoffen, dass man das Problem des Antisemitismus in Österreich ernst nimmt. Es wird dabei nicht reichen, den Schutz jüdischer Einrichtungen wie angekündigt zu verstärken. Wie Integrationsministerin Susanne Raab bei der Pressekonferenz betonte, gibt es einen hohen Anteil antijüdischer Vorurteile unter muslimischen Jugendlichen. In der Jugendarbeit und Integration anzusetzen ist eine langjährige Forderung von Menschen, die mit Jungen arbeiten. Das wird aber auch Geld kosten. Und die am Montag von der Regierung beschworene Verpflichtung, gegen Antisemitismus aufzustehen, muss auch garantiert sein, wenn es Täter ohne migrantischen Hintergrund betrifft.

Versprochen wurde das am Montag. Dementsprechende Konzepte müssen jetzt schnell umgesetzt werden – erfinden muss man sie eigentlich nicht mehr. Denn radikales Gedankengut wird nicht nur "importiert". Es ist ein Problem, das älter ist als diese Republik. (Colette M. Schmidt, 24.8.2020)