Springen die Leute im Virtuellen ab? Nein, hat Elke Berger, Personalchefin von Metro, erfahren.

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Elke Berger, Personaldirektorin und als solche Mitglied der Geschäftsführung bei Metro Cash & Carry, Großmarktkette mit zwölf Märkten und zusammen rund 2000 Mitarbeitern in Österreich, hat im Vorjahr ein großes, unkonventionelles Programm für Future Leaders von Metro installiert. Bottom-up für rund 70 Talente und Führungskräfte, die in freien, selbstorganisierten Settings gemeinsam Fragen zum neuen Arbeiten, zur Weiterentwicklung der Organisation, beantworten sollten.

Transformation aus der Belegschaft lautete die Devise. Büroleute und Storebelegschaft gemeinsam in Teams, die einander mit einer basalen Struktur und basalen Lernvorgaben treffen, aber nicht kontrolliert und nicht gesteuert werden. Das Ziel: eigenen Nachwuchs verstärkt aufbauen, Junge befähigen, sich von den "Alten" etwas abzuschauen, aber auch Neues einzufordern. Ohne große Austauschprogramme, ohne klassische Settings, in denen sich Junge, nicht ganz so mächtige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oft nicht wirklich etwas sagen trauen. Allerdings sehr individuell mit Mentoring, in kleinen Gruppen.

Alles ist erfreulich angelaufen, gemeinsame Outdoor-Aktivitäten haben die Leute wie nie zuvor zusammengebracht. Dann kam der Lockdown, anschließend Arbeiten auf Distanz und möglichst getrennt.

STANDARD: Corona hat das überwiegend analoge Design des Future-Leader-Programms verunmöglicht. Was haben Sie gemacht?

Berger: Auf virtuell umgestellt. Ich war nervös, zu Beginn waren weniger Teilnehmer in den Sessions, ich habe befürchtet, dass wir die Menschen verlieren. Das ist aber nicht passiert. Obwohl: Die Mitarbeiter im Office haben sich leichter getan als jene im Store, dort hat es mehr Schubs gebraucht, damit diese Art des Lernens als Teil der Arbeit begriffen wird. Büromenschen sind eher daran gewöhnt, sich halt eine Session abends anzusehen mit dem Bewusstsein: Ich mache das für mich.

STANDARD: Aber es hat geklappt?

Berger: Ja. Die Wahrnehmung der eigenen Bedeutung für das Unternehmen ist gestiegen. Trotz virtuellen Lernens hat sich die Kommunikation deutlich verbessert, weil sich die Leute mehr trauen, etwas zu sagen. Es hat allerdings eines großen Umdenkens bedurft, die oft geforderte, freie Lernkultur und Autonomie auch wirklich zu leben.

STANDARD: Was musste im Management dafür verändert werden?

Berger: Die persönliche Kommunikation in dieser virtuellen Welt wurde wichtiger, Massenmails nach einer Lernmaßnahme gingen gar nicht mehr, persönliches Abholen durch individuelle Mails, durch Anrufe ist zu einem zentralen Punkt geworden. Wir haben die Rolle der Führungskräfte als Personalentwickler noch stärker wahrgenommen und gestärkt. Wir haben daraus gelernt, dass unsere Arbeit mit den Führungskräften als Hebel und Transmitter wichtiger wurde. Das haben wir im Vorjahr nicht so gesehen – interessanterweise ist mit stärkerer Einbindung auch das Interesse der Führungskräfte gestiegen.

STANDARD: Die waren aber auch verstärkt gefordert ...

Berger: Ja, es hat sich klar gezeigt: Wer eine gute Führungskraft sein will, muss mit sich selbst gut klarkommen, sich selbst gut verstehen, gut organisieren, balanciert sein, innere Autonomie haben. Nicht nur nach Vorgaben leben. Der Umgang mit Autonomie des Lernens in der virtuellen Welt war eine harte, aber eine gute Schule. Der Mut, die Sicherheit, dass immer etwas geht, auch etwas Neues, das stärkt uns alle. Der Schubs aus der Komfortzone hat so gesehen gutgetan. Wir haben jetzt eine dreitägige Managementkonferenz erstmals virtuell vor uns. Die Teilnehmer am Future-Leaders-Programm haben jetzt monatelang Erfahrung und Vorsprung in dieser Art des Miteinanders und tragen schon Zuversicht in das Unternehmen, dass das machbar sein wird.

STANDARD: Wird sich Metro an das virtuelle Arbeiten und Lernen gewöhnen (müssen)?

Berger: Ja – im Office sowieso, im Store wird das schwieriger, weil sich da in der Zusammenarbeit kaum etwas oder wenig virtualisiert hat.

STANDARD: Für das Future-Leaders-Programm gibt es einen hinterlegten Lernpass. Wird der Lerntransfer auch gemessen?

Berger: Nein, wir machen keine Extraevaluierung. Was sich getan hat, sehen wir ohnedies in unseren regelmäßigen Pulse-Surveys. (Karin Bauer, 27.8.2020)