Bild nicht mehr verfügbar.

Gemerkt hat ein Mann aus Hongkong nichts davon, dennoch war er zum zweiten Mal mit Sars-CoV-2 infiziert – diesmal mit einem anderen Stamm aus Europa.

Foto: reuters

Mehr als vier Monate nach seiner ersten Infektion wurde ein 33-jähriger Mann in Hongkong erneut positiv auf Sars-CoV-2 getestet, das haben Forscher am Montag bekanntgegeben. Der Fall ist einer von mehreren vermeintlichen Reinfektionen mit dem neuen Coronavirus, über die in den letzten Monaten berichtet wurde. Mit dem Unterschied: Diesmal gibt es Belege. Und zwar dafür, dass der Mann sich tatsächlich zweimal infiziert hat.

Denn die Forscher haben in beiden Fällen das Virus genetisch sequenziert und dabei deutliche Unterschiede im Erbgut festgestellt. Beim zweiten Mal wurde ein Stamm nachgewiesen, der im Juli und August in Europa grassierte. Der 33-jährige Hongkonger war zuvor auf einer Reise in Spanien und Großbritannien gewesen. Einen Messfehler als Ursache für den erneuten Virusnachweis schließen die Forscher daher aus.

Ohne Symptome

Dass eine erneute Infektion mit Sars-CoV-2 möglich ist, kommt für Expertinnen und Experten wie den Immunologen Hannes Stockinger von der Med-Uni Wien nicht überraschend. Denn wesentlich ist, dass der Mann bei seiner ersten Infektion nur leichte Symptome verspürte und beim zweiten Mal überhaupt nicht erkrankte. "Das heißt, dass eine Immunität aufgebaut wurde gegen das ursprüngliche Virus und diese offensichtlich auch gegen die zweite Infektion schützend wirkte", so Stockinger.

Wie die New York Times berichtet, konnten bei dem 33-Jährigen nach der ersten Infektion keine Antikörper nachgewiesen werden. Auch mehrere Studien haben bereits gezeigt, dass nicht nur der Verlauf der Infektion mit Sars-CoV-2 von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich ist, sondern auch, wie das Immunsystem darauf reagiert. So haben etwa Wissenschafterinnen und Wissenschafter vom Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung der Med-Uni Wien herausgefunden, dass nur rund 60 Prozent der an Covid-19 erkrankten und genesenen Patientinnen und Patienten schützende Antikörper entwickeln.

Möglich ist auch, dass die Zahl der Antikörper nach einer Infektion rasch wieder abnimmt. Vor allem nach milden Verläufen könne die Immunantwort mit der Zeit wieder schwinden, bestätigt auch die Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl vom Zentrum für Virologie der Med-Uni Wien, für die der Fall aus Hongkong ebenfalls "nicht wahnsinnig überraschend" ist. Er passe jedenfalls ins Bild.

Zweite Option

Ein Grund dafür, dass der Patient trotz mangelnder Antikörper beim ersten Mal wieder gesund geworden ist und bei der erneuten Infektion überhaupt keine Symptome zeigte, ist vermutlich die sogenannte zelluläre Immunantwort. Denn neben der humoralen Immunantwort, also der Bildung von Antikörpern, gibt es eine weitere Abwehrreaktion des Immunsystems. Hier sind T-Lymphozyten, auch T-Zellen genannt, beteiligt, die zur Bekämpfung von Erkältungen produziert werden. Sie können virusinfizierte Zellen gezielt abtöten, wenn sie zuvor ihren Gegner einmal kennengelernt haben.

Während die zelluläre Immunantwort im Gewebe wirkt, wie Stockinger erklärt, arbeiten die Antikörper nicht nur im Inneren des Körpers, sondern auch an der Oberfläche – insbesondere in Sekreten von Mund, Nase und Rachen, in Lunge und Darm –, umhüllen den Erreger und neutralisieren ihn. So kann es sein, dass eine Person durch die zelluläre Immunantwort tief drinnen im Gewebe zwar vor einem erneuten Ausbruch der Krankheit Covid-19 geschützt ist, jedoch keine Antikörper entwickelt hat und sich somit dennoch erneut infizieren kann, weil es dem Virus weiterhin gelingt, "sich an der inneren Oberfläche des Körpers zu vermehren", so Stockinger. In den meisten Fällen entwickeln Infizierte übrigens sowohl eine zelluläre als auch eine humorale Immunantwort.

Infektiosität unklar

Ob Betroffene, die sich ein zweites Mal mit Sars-CoV-2 infizieren, ansteckend sind, lässt sich bislang nicht beantworten. Für Stockinger ist es vorstellbar, dass – sollte eine Person Antikörper gebildet haben und sich erneut infizieren – diese ihren Job so gut machen und den Erreger so effizient umhüllen, dass selbst ein herzhafter Nieser das Gegenüber nicht anstecken würde. Das alles ist bislang jedoch reine Theorie.

Nach seiner zweiten Infektion konnten bei dem Mann aus Hongkong jedenfalls Antikörper nachgewiesen werden. Stockinger erklärt das so: Wenn unser Körper immer wieder Kontakt mit einem Erreger hat, hält er das Immunwissen und die Antikörper aufrecht.

Wenn der Erreger aber irgendwann immer weiter zurückgedrängt wird und aus unserer Umgebung verschwindet, werden diese Abwehrzellen wieder zurückgefahren. "Denn der Platz im Körper ist beschränkt, und er muss dann Räume schaffen für Reaktionen auf andere Krankheitserreger", so Stockinger. So lässt sich auch erklären, warum bestimmte Impfungen immer wieder aufgefrischt werden müssen. Denn sie sind nichts anderes als aktive Immunisierungen. Und mit jeder erneuten Infektion oder Auffrischungsimpfung wird die Immunantwort stärker.

Einzelfälle bekannt

Aber kann eine zweite Infektion auch zu einem schwereren Verlauf der Erkrankung führt als die erste? Vom Dengue-Fieber kenne man solche Verläufe, wenn die Infektionen mit zwei unterschiedlichen Stämmen passieren – dann können die schon vorhandenen Antikörper die Erkrankung auch verstärken. In der Entwicklung von Impfstoffen gegen Covid-19 sei man sich dieser Problematik jedoch bewusst, so der Immunologe, und prüfe die entwickelten Impfstoffe genau.

Die neuen Erkenntnisse zu Reinfektionen haben jedenfalls Auswirkungen auf die Arbeit an Medikamenten und Impfungen, sollte aber auch nicht überbewertet werden, sagen Expertinnen und Experten. Auch bei anderen Krankheiten, die gewöhnlich eine Immunität auslösen, werden in Einzelfällen immer wieder Reinfektionen festgestellt.

Offen bleibt, wie oft man sich mit Sars-CoV-2 anstecken und wie schnell es zu einer erneuten Infektion kommen kann. Neben dem Fall in Hongkong wurden auch aus Belgien und den Niederlanden mittlerweile Reinfektionen gemeldet. Es sind bei insgesamt über 23 Millionen Fällen jedoch dennoch zu wenige, um allgemeingültige Aussagen treffen zu können. (Bernadette Redl, 26.8.2020)