Am Bordcomputer blinken Kontrollleuchten auf. Es knistert, und verzerrte Stimmen dringen in den Raum. Krrrrssss zssssss – chaotisches Rauschen kommt über Funk von der Sendestation. Das muss das Kontrollzentrum in Houston sein. Plötzlich ruckelt und zischt es. Weißer Rauch zieht über der Einstiegsluke auf. "Commencing countdown, engines on – five, four, three ...". Houston, ich habe ein Problem! Ich wollte doch nur das Licht ausschalten und nicht die Raumkapsel in Gang setzen. Do you hear me, Mission Control? Over!

"The Eagle has landed", verkündete Neil Armstrong, als die Mondlandefähre am 20. Juli 1969 auf dem Erdtrabanten aufsetzte. Fünfzig Jahre später ist der Adler noch einmal gelandet, allerdings nicht auf dem Mond, sondern in Steinegg, dem selbsternannten "Sternendorf Europas" nahe Bozen.

In Steinegg in Südtirol steht ein Nachbau der Mondlandefähre "Eagle". Gäste können darin übernachten.
Hotel Oberwirt / Apollo Experience

Landeplatz war das Hotel Oberwirt. Inhaber Roland Schroffenegger träumte von etwas Verrücktem für sein Hotel, etwas, das zur Thematik des Sternendorfes passte. Der Ort verfügt über ein eigenes Planetarium, eine Sternwarte und veranstaltet zum Vollmond Events – und nun auch noch über ein "Hotelzimmer", das wie geschaffen wirkt für das aktuelle Bedürfnis nach Social Distancing.

Schroffenegger ließ die Apollo-11-Mondlandefähre Eagle als völlig vom Hotel abgekapselte Übernachtungsmöglichkeit für zahlungskräftige Kunden im Maßstab 1:1 originalgetreu nachbauen. Dafür sah er sich zunächst in der Raumfahrtausstellung Apollo and Beyond im deutschen Technikmuseum Speyer einen Nachbau der Landefähre an und machte sich dann mithilfe eines 1:100- Modells, Daten aus dem Internet und Handwerkern vor Ort an die Arbeit.

Schwarz wie das All

Fünf Monate lang wurde gehämmert und gezimmert, bis die sieben Meter hohe Mondlandefähre Eagle mit ihrem stämmigen Körper, den dürren Spinnenbeinen und der zerknitterten Goldhaut stand. Platz fand sie in einem eigens dafür konstruierten siebeneinhalb Meter hohen Raum, der sich über knapp drei Stockwerke erstreckt. Wände und Decke erhielten einen schwarzen Anstrich: die Unendlichkeit des Weltraums. Fenster gibt es keine im "All". An der Decke im endlos scheinenden Raum wurden Sterne samt Sternbildern angebracht, an der Wand vor der Landefähre eine Scheibe mit der blau leuchtenden Welt. Der Boden wurde mit Zement übergossen, mit Kratern, Steinbrocken und Abdrücken der Astronautenschuhe versehen, sodass er der Mondoberfläche gleicht.

Inmitten des Dunkels steht die Mondlandefähre der Apollo 11. Sie besteht aus zwei Komponenten. In der unteren Hälfte, wo im Original Equipment verstaut war, befindet sich ein Doppelzimmer. In der oberen Hälfte, der Basis und Schlafstätte der Astronauten, ebenfalls mit einem Doppelbett versehen, steht der Bordcomputer zwischen zwei Dreieckfenstern. Ein Originalnachbau aus den USA mit 300 Knöpfen und Schaltern, von denen etwa 20 funktionsfähig sind. Zur Zeit der Mondlandung war der Bordcomputer der Eagle der kleinste und mit 85.000 Rechenoperationen pro Sekunde schnellste Computer der Welt. Jedes Smartphone ist heute performanter.

Unter Sternen schlafen

Eine Leiter führt hinauf zum Einstieg in den türkisfarbenen Raum. Die Öffnung ist einen Meter breit, wie in der Original-Eagle. In ihren dicken Raumanzügen mussten sich die Astronauten damals durch die Öffnung zwängen, ohne einen solchen geht das einfacher. Durch die Luke über dem Bett strahlen Sterne, durch das kleine Fenster unter dem Bordcomputer leuchtet die blaue Erde.

Die Ausstattung der ungewöhnlichen Unterkunft kommt futuristisch daher.
Foto: Hotel Oberwirt / Apollo Experience

Direkt über dem Bett steht die Spica, der hellste Stern im Sternbild Jungfrau – zum Einschlafen leider viel zu hell. Auf dem Nachttisch liegt deshalb ein iPad, mit dem man die Beleuchtung regulieren kann. Aber welche Taste ist welcher Stern? Nach mehrmaligem Klicken verschwinden Himmelskörper, Sternbilder erscheinen, und endlich leuchtet die grelle Jungfrau über dem Bett nicht mehr. Dafür blinken nun Lichter am Bordcomputer, und die Kapsel fängt an zu vibrieren. Hebt sie nun ab? Die Nacht verspricht Aufregung.

Obwohl manche Gäste in Zeiten von Corona mit diesem Ausflug ins "All" wohl auch ein wenig Abstand gewinnen wollen, entstand die "Apollo 11-Suite" aus einem anderen Grund. Sie wurde zu Ostern 2019, kurz vor dem 50. Jahrestag der Mondlandung eröffnet. Es ist vermutlich das einziger Zimmer dieser Art – und wohl auch der erste begehbare Originalnachbau der Mondlandefähre Eagle mit komplettem Cockpit. Ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber doch ein recht großer für einen Hotelier. (Cornelia Lohs, RONDO 28.8.2020)