Ratko Mladić trug der bei der Ankunft im Gerichtssaal eine Schutzmaske und beschwerte sich über die Qualität seiner Kopfhörer.

Foto: Leslie Hondebrink-Hermer/UN-IRMCT / Handout

Den Haag – Vor einem UN-Gericht in Den Haag hat am Dienstag das Berufungsverfahren gegen den wegen Völkermordes verurteilten ehemaligen bosnisch-serbischen Armeechef Ratko Mladić begonnen. Die Verteidigung, die unter Verweis auf den schlechten Gesundheitszustand des Angeklagten vergeblich eine Vertagung gefordert hatte, warnte die Richter vor einem "Fehlurteil".

Nach Angaben seiner Anwälte ist Mladić geistig nicht in der Lage, der Verhandlung zu folgen. Mladić war 2017 insbesondere wegen seiner Verantwortung für das Massaker von Srebrenica im Jahr 1995 mit 8000 Toten zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Der 78-Jährige weist die Vorwürfe zurück und hat Berufung gegen seine Verurteilung eingelegt. Auch die Staatsanwaltschaft ging in Berufung.

Stellungnahme von Mladić am Mittwoch

Die Berufung wird vom Internationalen Residualmechanismus für die Ad-hoc-Strafgerichte (IRMCT), einem Nachfolge-Gericht des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien, verhandelt. Eigentlich sollte die Berufungsverhandlung schon im März beginnen, sie wurde aber erst wegen einer Darmoperation des Angeklagten und dann wegen der Corona-Pandemie vertagt. Diesmal versuchten Mladićs Anwälte vergeblich, eine erneute Verschiebung der beiden Sitzungstage zu erreichen.

Nach Angaben seiner Anwälte hat Mladić Gesundheits- und Gedächtnisprobleme. Sein Anwalt Dragan Ivetić sagte vor Gericht, er sei sich nicht sicher, ob Mladić der Verhandlung "angemessen folgen" könne. Mladić, der bei der Ankunft im Gerichtssaal eine Schutzmaske trug und sich über die Qualität seiner Kopfhörer beschwerte, äußerte sich zunächst nicht. Er soll am Mittwoch zehn Minuten Zeit für eine Stellungnahme erhalten.

Als "Schlächter von Bosnien" bekannt geworden

Mladićs Sohn Darko sagte der Nachrichtenagentur AFP, sein Vater habe sich wegen seiner schlechten Gesundheit nicht auf die Verhandlung vorbereiten können. "Er hat nicht die nötige Energie für so eine Arbeit und es ist nicht klar, wie gut sein Gedächtnis funktioniert", sagte Darko Mladić.

Der als "Schlächter von Bosnien" bekannt gewordene Mladic gilt als einer der Hauptverantwortlichen für Kriegsverbrechen und Völkermord während des Bosnienkrieges (1992-1995), in dessen Verlauf rund 100.000 Menschen getötet und 2,2 Millionen Menschen in die Flucht getrieben wurden. Dazu gehören die jahrelange Belagerung Sarajevos mit über 10.000 Toten und der Völkermord von Srebrenica. Unter Mladics Führung hatten serbische Truppen 1995 die UN-Schutzzone Srebrenica überrannt und anschließend mehr als 8000 bosnisch-muslimische Männer und Burschen ermordet.

Wegen der Corona-Maßnahmen ist kein Publikum im Gerichtssaal zugelassen und auch zwei Richter verfolgen der Anhörung über eine Videoverbindung. Für das Berufungsverfahren sind zwei Sitzungstage anberaumt. Ein Urteil wird nicht vor Ende des Jahres erwartet. (APA, 25.8.2020)