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Die vier Technologieriesen Facebook, Apple, Amazon und Google sind an der US-Börse über eine Billion Dollar wert. Manch Investor fragt sich, ob das gerechtfertigt ist.

Foto: AP / Mark Lennihan

Noch nie zuvor war ein Mensch so schnell so reich geworden wie Gerald Winnick im Jahr 1998. Der US-Investor hat mit seinem Unternehmen Global Crossing mit Unterseekabeln das Internet zwischen Kontinente gespannt und somit die Lebensadern für den damaligen Tech-Boom geschaffen. Damit knackte Winnick mit seinem persönlichen Vermögen die Milliarden-Dollar-Marke in eineinhalb Jahren.

Vier Jahre später war der Konzern pleite. Und zwischendurch, im März 2000, war die Dotcom-Blase geplatzt. Milliarden an Börsenwert verpufften, die USA und Europa schlitterten in eine Rezession. Das Schicksal von Global Crossing zeugt davon, dass es nicht ausschließlich Fantasiefirmen der sogenannten New Economy – ohne Umsatz oder Gewinn – waren, die Anlegern über den Kopf wuchsen.

Neue Tech-Blase

Trotz des jüngsten Börsenkrachs, den die Corona-Krise ausgelöst hatte, gelingen amerikanische Tech-Aktien neuerlich Höhenflüge. Droht der Welt eine neue Dotcom-Blase? Ein Blick zurück: Das Internet barg Ende der Neunziger das Versprechen, die Welt revolutionieren zu können. Zwanzig Jahre später lässt sich das durchaus bestätigen. Doch nicht jedes Unternehmen mit einem "Dotcom" im Namen konnte davon profitieren.

In der Aufbruchstimmung schien an den Märkten die Vorsicht in den Wind geschlagen. Der US-Technologie-Index Nasdaq wuchs in einem Jahr um 250 Prozent. Das Verhältnis von Aktienkurs zum Gewinn an der Technologiebörse, eine wichtige Kennzahl für Investoren, stieg auf 200. Anders ausgedrückt: Hochgejazzte Lieferservices für Tierfutter und Co erwirtschafteten Gewinne, die erst nach zweihundert Jahren ihrer Bewertung entsprechen würden.

Für den Anlageberater Kevin Duffy, Mitgründer von Bearing Asset Management, wiederholt sich die Geschichte heute. Die aktuelle Entwicklung an den Börsen löse ein "intensives Déjà-vu" aus, schreibt er in einem Beitrag, den "The Market" veröffentlichte.

Der Nasdaq-Index hat sein Hoch aus dem Jahr 2000 längst hinter sich gelassen (siehe Grafik). Allein seit März, als der Corona-Einbruch allen Märkten einen starken Dämpfer verpasste, ist der Index um 70 Prozent gestiegen.

Billionenkonzerne dominieren

Derzeit sind die vier Technologieriesen Facebook, Apple, Amazon und Google an der US-Börse über eine Billion Dollar wert. Apple alleine hat vor kurzem sogar die Zwei-Billionen-Dollar-Marke überschritten. Doch ob so hohe Bewertungen auch gerechtfertigt sind oder sich Anleger neuerlich verrennen, ist unklar. Smartphones und digitale Werbung sind kein Neuland mehr, das für die Ersten, die auftauchten, mühelose Profite abwirft, sagt Duffy. Technologieriesen müssten sich heute mehr anstrengen, um zu wachsen.

Die Welt zur Jahrtausendwende wandelte sich rasch, wenigen gelang es, nur auf die Gewinner zu wetten. Ein Konzern, der heute Hoffnung auf eine technologische Revolution beflügelt, ist Tesla. Der E-Autohersteller spaltete jüngst seine Aktie auf, damit sie für Kleininvestoren leistbar wird. Denn zuletzt stieg der Aktienpreis auf rund 2000 US-Dollar – eine Verfünffachung binnen zwölf Monaten. Der Marktwert Teslas entspricht somit achtzigmal dem Unternehmensgewinn. Ein Warnsignal, meint Duffy, wie seinerzeit.

Für andere Marktbeobachter lässt sich der aktuelle Tech-Boom nicht mit jenem zur Jahrtausendwende vergleichen. "Im Gegensatz zu vielen Internetfirmen damals sind die großen Tech-Konzerne heute profitabel und haben klare Geschäftsmodelle", argumentiert Benjardin Gärtner, Leiter des Aktien- Portfoliomanagements bei Union Investment im Gespräch mit dem STANDARD. Dass Tech-Werte zuletzt stark gestiegen sind, habe zwei Gründe: "Wegen der niedrigen Zinsen sind Investoren bereit, mehr Risiko am Aktienmarkt in Kauf zu nehmen", sagt Gärtner. Eine Zinswende sei aber nicht in Sicht. Anleger handeln somit nachvollziehbar.

Corona-Profiteure

Außerdem profitierten viele Tech-Firmen in der Corona-Krise. Apple-Produkte sind vergriffen, Netflix gewinnt neue Abonnenten, und Amazon liefert nach Hause, was in geschlossenen Geschäften im Lager verstaubt. Doch auch abseits des Corona-Effekts stehen Apple und Co auf festen Beinen, sagt Gärtner. Die Platzhirsche hätten sich den Markt aufgeteilt und dank ihrer dominanten Stellung stete Einkommen. Zusätzlich zu etablierten Produkten setzen sie auf Dienstleistungen. Ihre Aktionäre wetten längst nicht mehr auf eine Revolution. (Leopold Stefan, 26.8.2020)