Funke vs. Dichand im Sommer 2019 vor dem Wiener Handelsgericht – in einem anderen Verfahren im selben, ewigen Streit um die "Krone": links vorn Funke-Vertreter Andreas Urban, rechts vorn "Krone"-Herausgeber und -Gesellschafter Christoph Dichand.

Foto: Robert Newald

Das Handelsgericht Wien soll die "Krone"-Gründerfamilie Dichand aus der Verlagsgesellschaft der größten Zeitung des Landes ausschließen, ihnen also praktisch ihre 50 Prozent an der "Kronen Zeitung" aberkennen. Das verlangt die deutsche Mediengruppe Funke, der zusammen mit Immobilienmilliardär René Benko die andere Hälfte der "Kronen Zeitung" gehört. Mittwoch wurde die Klage der Funke-Gruppe erstmals am Wiener Handelsgericht verhandelt. Update: In dieser Verhandlung lässt die Richterin erkennen, dass sie an der Zuständigkeit des Handelsgerichts zweifelt. Ihr Urteil ergeht schriftlich.

Update: Richterin zweifelt an Zuständigkeit

Erkenntnisse aus 70 Minuten Verhandlung am Dienstag:

  • Die Besetzung zeigt das Gewicht des Verfahrens für beide Seiten. Für die Funke-Gruppe kam Funke-Geschäftsführer Michael Wüller ins Handelsgericht mit diesmal gleich drei Anwälten von Schönherr, darunter diesmal Christoph Lindinger. "Krone"-Herausgeber und -Miteigentümer Christoph Dichand kam auch zu dieser Verhandlung, diesmal unter anderen mit seiner juristischen Strategin im Match der "Krone"-Gesellschafter, Huberta Gheneff.
  • In dem Verfahren geht es zuallererst darum, ob ordentliche Gerichte wie das Handelsgericht überhaupt zuständig sind für solche Streitigkeiten der Gesellschafter. Schiedsvereinbarungen aus 1987 und 2003 zwischen Funke-Gruppe und Dichands besagen, dass dafür Schiedsgerichte nach Schweizer Recht zuständig sind.
  • Richterin skeptisch. Richterin Kerstin Just legte in der vorbereitenden Verhandlung am Mittwoch klar, wie sie die rechtlichen und sachlichen Argumente der Funke-Gruppe für die Zuständigkeit des Handelsgerichts beurteilt – vorsichtig formuliert: skeptisch. Aus derzeitiger rechtlicher Sicht sehe sie sich unzuständig, ließ sie mehrfach recht deutlich durchklingen. Das Urteil aber wird noch schriftlich ergehen.
  • Die Funke-Gruppe wolle keine Schiedsverfahren mehr mit den Dichands führen, erklärt ihr Anwalt Lindinger. Die Funke-Gruppe hat die Schiedsvereinbarung und die Rahmenvereinbarungen mit den Dichands 2019 neuerlich für gekündigt erklärt. Ihre Kündigung aus 2018 hat gerade erst im Mai 2020 ein solches Schiedsgericht abgelehnt und die Gültigkeit im Sinne der Dichands bestätigt. Die Dichands stellen sich naturgemäß auch gegen die neuerliche Kündigung, die Funke-Gruppe könne nicht Vereinbarungen der Gesellschafter aussuchen wie Rosinen aus einem Kuchen zu picken. Richterin Just sieht für die neuerliche Kündigung wieder ein Schiedsgericht zuständig – dieses sei laut Vereinbarung ja auch für die Beendigung der Vereinbarungen unter den "Krone"-Gesellschaftern zuständig.
  • Funke-Anwalt Lindinger hat dem Handelsgericht eine Chronologie von Anrufen und Treffen des von den Dichands ins jüngste Schiedsgericht entsandten Schiedsrichters mit Dichand-Vertretern während des Schiedsverfahrens vorgelegt. Beratungen eines Schiedsrichters mit einer Seite wären unzulässig. Der Schiedsrichter, Rechtsprofessor Paul Oberhammer, hat sein Mandat in dem Schiedsgericht, wie berichtet, zurückgelegt. Das Mandat, eines von dreien, wurde vor der Entscheidung im Mai nachbesetzt. Von fünf Stunden Kontakt des Schiedsrichters und Dichand-Vertretern laut seinen Unterlagen würden nur drei Minuten und ein Treffen bestritten, sagt Anwalt Lindinger. Richterin Just zitiert aus einer Erklärung Oberhammers, wonach es sich um Telefonate und SMS aus seiner Privatsphäre handle und Unwahrheiten vorgebracht würden. Dichand-Anwältin Gheneff bestreitet die Kontakte in der vorgehaltenen Form. Dazu wollte Funke-Anwalt Lindinger Einvernahmen. Für die Beurteilung der Zuständigkeit sei eine solche Einvernahme aus heutiger Sicht nicht nötig, erklärte Richterin Just. Wenn sie beim Ausarbeiten des Urteils zu einer anderen Meinung komme, will sie zu einer weiteren Verhandlung laden.

Die Vorgeschichte und Hintergründe im "Krone"-Streit

Die Rahmenverträge zwischen der Funke-Gruppe und der Familie Dichand aus 1987 und 2003 über Rechte, Pflichten und Regeln für die Gesellschafter der "Kronen Zeitung" sehen vor, dass Schiedsgerichte nach Schweizer Recht Streitfragen zwischen den Eigentümern von Österreichs weitaus reichweitenstärkster Tageszeitung zu klären haben – und eben nicht ordentliche Gerichte wie das Handelsgericht.

Ein solches Schiedsgericht hat erst im Mai 2020 entschieden, dass die Funke-Gruppe die Rahmenvereinbarungen nicht kündigen kann, ohne damit die eigentliche Gesellschaft aufzukündigen. In dem Fall müsste die Funke-Gruppe den Dichands als Mitgesellschafter ihre "Krone"-Anteile zum sehr günstigen Buchwert überlassen. Die Funke-Gruppe hatte die Kündigung der Rahmenvereinbarungen erklärt, die Dichands riefen gegen die Kündigung dieses jüngste Schiedsgericht an.

Die Funke-Gruppe und René Benkos Signa-Holding haben wenige Tage nach diesem Schiedsspruch im Mai 2020 angekündigt, sie würden die Entscheidung des Schiedsgerichts anfechten. Eine Einladung von Herausgeber und Miteigentümer Christoph Dichand, seiner Familie die übrigen Anteile zu verkaufen, lehnten Signa und Funke ab. Benkos Signa Holding hat sich Ende 2018 mit vorerst 49 Prozent an jener Funke-Holding beteiligt, in der die deutsche Mediengruppe ihre 50 Prozent an der "Krone" und 49,44 Prozent am "Kurier" geparkt hat. Benko hat eine Option auf die übrigen Funke-Anteile – wenn die Vorrechte der Dichands in den Rahmenvereinbarungen fallen, etwa eine Gewinngarantie für die Dichands. Die Vereinbarungen wurden aber im Mai vom Schiedsgericht bestätigt.

Dichand-Anwältin: "Reiner Verzweiflungsakt"

Im Juni 2020 wurde die Klage der Funke-Gruppe auf Ausschluss der Dichands aus der "Krone" vor dem Handelsgericht bekannt, um die es am Mittwoch ging. Sie wurde allerdings schon im März 2020 eingebracht. Also vor der Entscheidung des Schiedsgerichts über die Gültigkeit der Rahmenvereinbarungen zwischen Dichands und Funke und damit auch über die Zuständigkeit von Schiedsgerichten für Gesellschafterstreit.

Dichand-Anwältin Huberta Gheneff bezeichnete die Ausschlussklage damals gegenüber dem STANDARD als "reinen Verzweiflungsakt": "Die Klage wurde verfrüht vor den jüngsten Klarstellungen des Schiedsgerichts eingereicht, noch dazu vor einem unzuständigen Gericht", erklärte Gheneff.

Funke verlangt Feststellung der Stimmrechte

Die Funke-Klage vor dem Handelsgericht Wien knüpft – wie einige andere der Funke-Gruppe in den vergangenen Monaten – an den Stimmrechten der Familie Dichand in "Krone"-Gesellschaften an. Die Argumentation, grob zusammengefasst:

Die Familie hat 2018 die 50 Prozent "Krone"-Anteile des 2010 verstorbenen Gründers Hans Dichand übernommen und auf seine Witwe Helga sowie die Kinder Michael, Johanna und Christoph aufgeteilt. Jede und jeder der vier besitzt nun 12,5 Prozent.

Die Gesellschaftsverträge sehen aber vor, dass Stimmrechte nur nach ganzen Anteilsprozenten berechnet werden – die viermal 0,5 Prozent hätten also keine Stimmrechte, argumentiert die Funke-Gruppe. Damit habe ihre gemeinsame Gesellschaft mit Benko 50 Prozent der Stimmrechte, die Dichands aber nur viermal zwölf, also 48 Prozent.

Die Dichands argumentieren dagegen mit Paragraf 80 des GesmbH-Gesetzes, eher ein juristischer Ausnahmefall. Er besagt: Gehört ein Geschäftsanteil an einer GesmbH mehreren "Mitberechtigten, so können sie ihre Rechte daraus nur gemeinschaftlich ausüben. Für Leistungen, die auf den Geschäftsanteil zu bewirken sind, haften sie zur ungeteilten Hand." Rechtshandlungen gegenüber einem dieser "Mitberechtigten" würden für alle anderen gleichermaßen gelten. Die Dichands sollen das auf ihre Anteile an der "Krone" beziehen. In diesem Fall würde aus den Anteilseignern quasi automatisch eine gemeinsame Gesellschaft nach bürgerlichem Recht – die 50 Prozent der Anteile und damit auch 50 Prozent der Stimmrechte hätte. Die Dichands wollten diesen Status auch im Firmenbuch eingetragen wissen. Darauf soll die Funke-Gruppe mit ihrer Ausschlussklage reagiert haben, kolportiert als "wichtiger Grund" für einen Ausschluss. Die Klage verlangt nach STANDARD-Infos jedenfalls auch die Feststellung der Stimmrechte vom Handelsgericht.

  • Update: Richterin zweifelt auch an Reduktion der Stimmrechte Richterin Kerstin Just ließ am Mittwoch auch Zweifel an der Sicht der Funke-Gruppe erkennen, dass die Dichand-Anteile durch Vererbung zwei Prozent Stimmrecht verloren hätten. Das würde ihr "befremdlich erscheinen", sagte Just in der Verhandlung über ihre derzeitige (also vorläufige) Sicht.

Die Beherrschung der "Krone"

Die Funke-Gruppe meldete mit Verweis auf die – nach ihrem Befund – reduzierten Stimmrechten der Dichands zum Jahreswechsel 2019/20 zudem bei den österreichischen (und auch gleich deutschen) Wettbewerbsbehörden die alleinige Beherrschung der "Kronen Zeitung" an. Die österreichische Bundeswettbewerbsbehörde schloss sich der Argumentation nicht an und legte die Anmeldung dem Oberlandesgericht Wien zur Prüfung vor.

Bis Ende September – die Frist wurde Corona-bedingt verlängert – soll das OLG Wien nun entscheiden.

Der Oberste Gerichtshof hat dafür allerdings in einem Nebenverfahren zu diesem Thema schon einen Rahmen vorgegeben. Der OGH hat in einer Entscheidung vom 29. Mai 2020 (160k2/20k) zur Begründung der Abweisung grundsätzlich festgehalten, wofür Kartellbehörden und -gerichte nicht zuständig sind: zu prüfen, ob etwa der Kauf oder die Übernahme von Anteilen gültig und wirksam sind, die zu einer kartellrechtlichen Beherrschung geführt haben sollen. Das Höchstgericht: "Keine Aufgabe des Zusammenschlusskontrollverfahrens ist es (...), über die Wirksamkeit oder Gültigkeit von Erwerbsvorgängen im Sinne des Kartellrechts abzusprechen."

Kleine gemeinsame Nenner

Der seit Anfang der 2000er-Jahre laufende Gesellschafterstreit bei der "Krone" bremst oder lähmt viele Entscheidungen bei Österreichs größter Tageszeitung und in ihrem gemeinsamen Verlagskonzern mit dem "Kurier", der Mediaprint.

Kleine gemeinsame Nenner finden sich dennoch: Dienstag, am Vorabend der Verhandlung vor dem Handelsgericht Wien, gab die Mediaprint einen Wechsel in der Geschäftsführung bekannt: Gerhard Valeskini, Geschäftsführer der "Krone" und den Dichands zuzurechnen, wird zusätzlich Geschäftsführer der Mediaprint – im austarierten Kräftedreieck der drei Eigentümergruppen dort neben Christoph Niemöller (Funke-Gruppe) und Thomas Kralinger (Kurier/Raiffeisen). (fid, 26.8.2020)