Die konservativ geführte Regierung in Rumänien unter Ludovic Orban kommt wegen des schlechten Pandemiemanagements zusehends unter Druck. In der vergangenen Woche steckten sich täglich etwa 1000 Leute neu an. Die Kurve ist bereits seit Mitte Juli wieder stark am Steigen. Und die oppositionellen Sozialdemokraten (PSD) wollen einen Misstrauensantrag stellen, mit der Begründung, dass die Behörden inkompetent auf die Krise reagieren.

Der neu gewählte Chef der PSD, Marcel Ciolacu, meinte: "Die Regierung Orban ist zum erschwerenden Faktor der Pandemie geworden. Sie haben die Kontrolle über die Pandemie völlig verloren, die Wirtschaft zerstört, und der Lebensstandard der Rumänen ist zusammengebrochen." Falls neben der PSD und der liberalen ALDE noch weitere Parteien das Misstrauensvotum unterstützen, könnte die Regierung tatsächlich gestürzt werden. Premier Orban sprach von einer "rücksichtslosen Aktion" der Opposition, der es nur darum gehe, bei den Wahlen Stimmen zu stehlen. Bislang haben sich in Rumänien über 70.000 Menschen mit Covid-19 infiziert, über 3000 sind daran verstorben.

Wahlen im Schatten der Pandemie

Vor einer Woche gingen Restaurant- und Hotelangestellte auf die Straße, um gegen die Pandemiemaßnahmen zu protestieren. Zuletzt durfte man Restaurants nur mehr besuchen, wenn man sich im Freien aufhalten konnte. Gesundheitsminister Nelu Tătaru ist dafür, dass die Schüler nur mit Maske in der Klasse sitzen sollen. Es ist jedenfalls abzusehen, dass sowohl die Lokalwahlen am 27. September als auch die wahrscheinlichen Parlamentswahlen im Dezember stark von der Diskussion über die Auswirkungen der Covid-19-Krise geprägt sein werden.

Im Vergleich zum Vorjahr ist das Bruttoinlandsprodukt (Bip) in diesem Quartal um 10,5 Prozentpunkte eingebrochen – dies bedeutet den stärksten Wirtschaftseinbruch seit 24 Jahren. Die ausländischen Direktinvestitionen gingen sogar im Vergleich zum Vorjahr um 87 Prozent zurück. Die Auslandsverschuldung nahm um sieben Prozentpunkte zu.

Konservativer liegt in Bukarest vorn

Bei den Bürgermeisterwahlen in Bukarest liegt zurzeit laut Umfragen der von den Konservativen unterstützte Kandidat Nicusor Dan vor Amtsinhaberin Gabriela Firea. Auch der frühere Präsident Traian Basescu und der frühere Premier Victor Ponta treten bei der Wahl an.

In Rumänien gibt es indes viel Solidarität mit der belarussischen Opposition, weil viele Bürger sich noch an ihre eigenen Kämpfe um mehr Freiheit und Bürgerrechte Ende der 1980er und in den 1990ern erinnern. In einem offenen Brief an den rumänischen Präsidenten Klaus Iohannis und Premier Orban haben 200 Intellektuelle und Kulturschaffende ihre politischen Führer aufgefordert, stärker in Belarus zu intervenieren und ihre Unterstützung für die Demonstranten klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen sowie den Rücktritt des belarussischen Diktators Alexander Lukaschenko zu fordern.

Offener Brief

"Mit diesem offenen Brief bitten wir Sie, dringend, ehrlich und deutlich über alle Kanäle und Mittel zu intervenieren, die Ihnen zur Verfügung stehen, um die belarussischen Bürger zu unterstützen, die heutzutage im ganzen Land in sehr großer Zahl friedlich demonstrieren", heißt es in dem Brief, der auch vom früheren Außenminister Andrei Pleșu unterschrieben wurde. Die rumänische Regierung solle mit der oppositionellen Svetlana Tikhanovskaja in Kontakt treten.

Auch die Präsidentschaftswahlen in den USA beschäftigen die Rumänen zurzeit. Facebook hat mittlerweile 35 Accounts entfernt, die in Rumänien eingerichtet wurden und die für die Wiederwahl von Donald Trump eintraten, auch 88 Instagram-Accounts wurden abgeschaltet, weil angenommen wird, dass dahinter keine realen Personen stecken. Facebook zufolge wurden einige der Pro-Trump-Accounts von ein und derselben Person in Rumänien betrieben. (Adelheid Wölfl, 26.8.2020)