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Plant mit ihren Kolleginnen und Kollegen eine neue Plattform: Veronika Munk.


Foto: REUTERS/Bernadett Szabo

Alpbach – Für die frühere Vizechefredakteurin des ungarischen Internetportals index.hu, Veronika Munk, ist die indirekte Übernahme ihres unabhängigen Mediums durch einen regierungsnahen Geschäftsmann nicht überraschend gekommen.

"Natürlich war ich vorbereitet, ich lebe in Ungarn", sagte Munk am Mittwoch bei einer Debatte im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach. Gleichzeitig kündigte sie ein neues Projekt an.

"Ich bin nicht blind, was die Medienlandschaft betrifft", betonte die studierte Medienwissenschafterin. Die jüngste Entwicklung habe sich schon in den vergangenen zehn Jahren abgezeichnet, immer wieder gab es Interventionsversuche von außen bei index.hu. Vor rund zwei Jahren, so Munk, habe die Redaktion Leitsätze zur Unabhängigkeit formuliert – darunter: "Niemand von außen darf sich in redaktionelle Besetzungen einmischen." Dies sei zuletzt missachtet worden.

Vor mehreren Monaten übernahm der regierungsnahe Geschäftsmann Miklós Vaszily 50 Prozent der Anteile des Medienkonzerns Indamedia, von der die Redaktion von "Index" wirtschaftlich – etwa bezüglich der Werbeeinnahmen – abhängt. Mitte Juli wurde der Chefredakteur Szabolcs Dull entlassen. Zwei Tage später reichte fast die gesamte 90-köpfige Redaktion die Kündigung ein.

Neues Projekt

Die Hoffnung gibt Munk, die 18 Jahre bei index.hu gearbeitet hatte, dennoch nicht auf. Die ehemaligen Mitarbeiter würden eine neues Projekt in Angriff nehmen. Allerdings kann das noch dauern. "Das Problem ist, dass noch mehr als 80 Personen von uns" wegen der Kündigungsfrist im Newsroom von index.hu sitzen, erklärte Munk. Das Nachrichtenportal hatte bis zur Kündigung der Redaktion ihren Angaben zufolge 1,5 Millionen Leser pro Tag.

Die jüngsten Entwicklungen bei index.hu seien nur die "Spitze des Eisbergs", sagte Pál Dániel Rényi, Redakteur des Portals "444.hu", das 2013 von ehemaligen Index-Mitarbeitern gegründet wurde. Die vergangenen Jahre waren seiner Meinung nach "unglaublich". So viele Medienunternehmen hätten zugesperrt oder seien von regierungsnahen Personen übernommen worden. "Der Zugang zu Informationen wird immer begrenzter", warnt der Journalist und verweist auf einen "großen Skandal" im ungarischen Außenministerium, über den hauptsächlich regierungskritische Medien berichten. Außenminister Péter Szijjártó ist zuletzt wegen seines Urlaubs auf der Luxusjacht des regierungsnahen Geschäftsmanns László Szijj in Kroatien unter Druck geraten.

Réka Kinga Papp, Chefredakteurin des in Wien ansässigen Online-Magazins "Eurozine", wirft unterdessen der internationalen Öffentlichkeit vor, lange nicht hingesehen zu haben. "Es hat alles im Jahr 2010 begonnen, als (Viktor) Orbán die Zwei-Drittel-Mehrheit (im Parlament) bekommen hat" und das Mediengesetz durchbrachte, erinnerte sich Papp. Aber: "Orbán hat nichts erfunden", sagte die in Ungarn bekannte Moderatorin und Aktivistin weiter. Das meiste hätte er sich von den US-Republikanern und vom "Berlusconi-Regime" – Silvio Berlusconi regierte in Italien mehrere Jahre und war auch Medieninhaber – abgeschaut. Mit Sorge blickt Papp in Richtung Slowenien: Dort werde das "ungarische Modell extrem schnell durchgezogen". (APA, 26.8.2020)