Seit Ausbruch der Corona-Krise steht kein Regierungsmitglied derart unter Dauerbeobachtung wie der grüne Gesundheitsminister Rudolf Anschober: Im Juli kletterten seine Beliebtheitswerte und Vertrauenspunkte in ähnliche Höhen wie jene von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) empor. Bald darauf beschied der Verfassungsgerichtshof zwei Corona-Verordnungen als gesetzeswidrig, juristische Schlampereien mehrten sich – und immer häufiger wurde scharfe Kritik an der Amtsführung des 59-jährigen Oberösterreicher laut. Seit kurzem werden nun auch Gerüchte über Anschober in Umlauf gebracht.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober ist beliebt – und polarisiert. Angeblich sogar beim eigenen Koalitionspartner.
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Im ORF-Sommergespräch versuchte FPÖ-Chef Norbert Hofer die Debatte rund um Anschober anzuheizen, indem er sich selbst und den Minister als Kandidaten für die noch lange nicht anstehende Bundespräsidentenwahl ins Spiel brachte. Richtig ungut wurde es am Dienstag: Die am rechten Rand angesiedelte oberösterreichische Wochenzeitung Wochenblick veröffentlichte einen Bericht über einen Krankenhausaufenthalt des Ministers – in dem Text wird von "großem Druck" geschwurbelt, der auf Anschober laste. Am Mittwoch lancierten dann die heimischen Boulevardmedien Berichte, dass "in der Regierung Sorge" bestünde, weil sich Anschober im Spital befinde. In seinem Ressort wird hingegen beteuert: Es handelte sich um einen "lange geplanten" routinemäßigen Gesundheitscheck. Es gehe ihm gut.

Eine journalistische Grundregel besagt: Über Krankheiten von Politikern wird dann berichtet, wenn sie selbst darüber sprechen – das hat Anschober 2012 getan, weil er sich damals als Landesrat in Oberösterreich wegen eines Burnouts eine Auszeit verordnen musste. Wie die aktuellen Gerüchte nun in Umlauf kamen, sorgt nun bei den Grünen für Spekulationen: Welcher politische Gegner hat es auf Anschober abgesehen?

Knatsch mit Kaiser

Fest steht: Inmitten der Pandemie hat Anschober keine einfache Rolle – und immer wieder sind Fehler passiert. Am Wochenende kam es an Kärntens Südgrenze wegen einer missverständlichen Verordnung aus dem Gesundheitsressort für tausende rück- und durchreisende Kroatien-Urlauber zu einem bis zu 15-stündigen Megastau. Da gerieten sich Anschobers Ressort und der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser in die Haare, wer denn nun Schuld hatte.

Bis zur Wochenmitte mehrten sich dann auch schon wieder verfassungsrechtliche Bedenken am Entwurf für neue Betretungsverbote im Falle eines zweiten Lockdowns. Der Verfassungsgerichtshof hatte das von der Regierung angeordnete Quasiausgehverbot bis 30. April als gesetzeswidrig erachtet – eine neue gesetzliche Grundlage dafür ist derzeit in Begutachtung. Mit Donnerstag steht für Anschober zudem die Generalprobe für die Corona-Ampel an, die Österreichs Regionen auch mit dem Schulstart halbwegs unbeschadet durch die Corona-Misere manövrieren soll, und, und, und.

Auffallend bei alledem: Obwohl Kanzler Kurz und sein Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) zuvor verschärfte Grenzkontrollen für die Rückreisenden gefordert hatten – "das Virus kommt mit dem Auto" –, verhielt sich die türkise Regierungsriege bisher rund um das Stauchaos auffallend leise – ebenso rund um das heikle Ampelsystem.

Schuldfrage über Schuldfrage

Bei den Grünen interpretiert eine Abgeordnete die ostentative Stille so: "Das geschieht, damit wir schuld sind oder der rote Kaiser – nur ja kein Türkiser." Ein anderer Grüner wiederum sagt über die Kanzlerpartei ÖVP: "Sie genießen das, sagen sich, ‚Rudi, mach’ mal!‘ – und lehnen sich zurück."

Beim kleineren Regierungspartner argwöhnt man, dass Kurz, Blümel und Co speziell vor der Wahl in Wien diese Strategie verfolgen, dem grünen Gesundheitsminister die "unbeliebte Arbeit" in der Corona-Krise, in der es vor allem um Einschränkungen für die Bevölkerung ginge, zu überlassen – weil ihnen die steigenden Umfragewerte für Anschober schon länger ein Dorn im Auge seien. Auch aus türkisen Kreisen hört man: Beliebt sei Anschober in der ÖVP von Beginn an nicht gewesen.

Kampf um Bürgerliche

Kein Wunder. Denn Anschober strahlt mit seiner Besonnenheit weit ins bürgerliche Lager hinein. Sein Hauptthema war vor Corona noch Asyl – konkret: Asylwerber in Lehre, gegen deren Abschiebung er sich bis heute ausspricht. Das kommt nicht nur in christlich-sozialen Kreisen gut an, auch nicht wenige Unternehmer, die händeringend nach Arbeitskräften suchen, wollen ihre mittlerweile ausgebildeten Lehrlinge nicht verlieren – die ÖVP war hier immer der Hauptgegner.

Kurz will am Freitag wieder übernehmen: Der Kanzler hat eine "Erklärung" angekündigt, in der es um die inhaltlichen Schwerpunkte der kommenden Monate gehen soll – und vor allem natürlich auch um Corona, Anschobers Kernthema. (Katharina Mittelstaedt, Nina Weißensteiner, 26.8.2020)