FPÖ-Wien-Chef Dominik Nepp (li.) und der Jubilar und Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel.

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Das bedeutendste Geburtstagskind des heutigen 27. August hat uns den Weg zum absoluten Wissen gewiesen. In einem Idiom, das man getrost als Fremdsprache erlernen sollte, auch wenn es dem Deutschen ähnlich sieht, und, an und für sich betrachtet, über einige Schönheit verfügt.

Der schwäbische Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel (er würde heute 250 Jahre alt) beorderte relativ spät in der Phänomenologie des Geistes (1807) den Haupthelden seiner Überlegungen auf die Bühne. Es handelt sich bei ihm um jenen Geist, den er – damit dieser ganz er selbst werde – zahlreiche Stufen durchlaufen lässt. Wir sprechen von Hegels (1770–1831) großer denkerischer Errungenschaft: der idealistischen, deutschen Systemphilosophie.

Der "absolute Geist" winkt

In ihr wird dem Geist von Hegel aufgegeben, sich selbst zu negieren, aufzuheben und fortzutragen – dies alles nur, um endlich zu verwirklichen, was in ihm angelegt erscheint. Als Ziel und Resultat aller geistigen Entwicklung winkt das "wirkliche Selbstbewusstseyn des absoluten Geistes". Ehe es aber so weit ist, muss sich der Geist notwendig entäußern. Er nimmt zu sich selbst die Relation wie zu einem Anderen ein ("... seine Substanz ist also seine Entäußerung selbst", drückt es Hegel gewohnt unmissverständlich aus).

Erst in der Verwirklichung des Weltgeistes fällt das Wahre mit dem Ganzen zusammen. Eben weil dem so ist, können durch das Mittel der bestimmten Negation auch weniger qualifizierte Erscheinungen Notwendigkeit beanspruchen. Es ist jedoch ein steiniger Weg hin zum "allgemeinen Willen", der zugleich "reines Wissen und Wollen" ist.

Wann und vor allem warum sich "absolute Freyheit" und Tod wechselseitig aufheben, muss, aus Rücksicht auf empfindsame Seelen, an dieser Stelle unerörtert bleiben. Es hatte für Hegel mit Terror und Revolution zu tun. Aber bemühen wir uns, das Wirken des Weltgeistes bis in seine einzelnen Regungen zu verfolgen.

Dubios, trotzdem vernünftig

Niemand ist listenreicher als der Geist, der sich seiner gewiss wird. Er schlüpft in sagenhafte Gestalten. Weil in den Augen mancher Hegel-Jünger alles, was ist, zugleich auch vernünftig ist, kommt sogar dubiosen oder Figuren mit geringerer Strahlkraft einige Bedeutung zu.

Findet der Weltgeist tatsächlich nur durch Zerstörung zu seinem Ziel, so müssen z. B. die Vertreter der Wiener FPÖ von Herzen frohlocken. In Gestalt des abtrünnigen Ex-Bundesparteiobmanns droht ihnen bei den bevorstehenden Gemeinderatswahlen eine bloß vorläufige Form der Aufhebung bzw. Negation (Reduzierung des eigenen Stimmenanteils). Wird er erst einmal auf eine neue Stufe der Vernunft gehoben, kann sich der Weltgeist in der lichtvollen Gestalt von Dominik Nepp anschließend umso wirkungsvoller inkarnieren.

Doch auch sonst schreckt der sich selbst verwirklichende Geist vor keinerlei Mummenschanz zurück. Er trägt manchmal weißrussische Diktatorenschnauzer. Oder er setzt, im Weißen Haus am stillsten Ort verkrochen, zutiefst beunruhigende Zwitschermeldungen ab. Müssen nur tüchtig negiert werden, die Potentaten. Dann wird es vielleicht noch was mit dem absoluten Geist. (Ronald Pohl, 27.8.2020)