Warten auf den Jedermann in Salzburg. Der Tod überschattet in der Kulturstadt auch die Musikbranche. Die Mayrische ist ab Ende November Geschichte

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Wien – Salzburg feiert im August Festspiele. Gestorben wird gegenwärtig aber nicht nur im Jedermann. Hinter den Kulissen schließt eine Institution des Kulturlebens, die Musikern seit Generationen als erste Anlaufstelle für Noten, Partituren und Literatur diente. Knapp 430 Jahre hatte die Mayrische Musikalienhandlung in der Salzburger Innenstadt Bestand. Ende November soll sie Geschichte sein. Ab Oktober wird ihr Notenbestand abverkauft.

Eigentümer ist die Universal Edition. Still und leise wollte der traditionsreiche Wiener Musikverlag das Kapitel Einzelhandel in Salzburg beenden. Anfragen der Öffentlichkeit ließ er lange unbeantwortet. Allein es folgte ein Aufschrei.

"Tragödie und Schock"

Von einer Katastrophe, Tragödie und Schock ist in der Musikbranche die Rede. Hochrangige Vertreter aus den Salzburger Festspielen, der Stiftung Mozarteum, der Musikuniversität und Camerata Salzburg zeigen sich empört. Die offene Frage, die viele vereint: Warum lässt sich in einer Stadt mit unzähligen Festivals, Berufsorchestern und Ensembles, 1600 Studierenden und Dutzenden Musikprofessoren eine der ältesten Musikalienhandlungen der Welt offenbar nicht rentabel führen?

Stimmen in der Branche werden laut, ob ausreichend alternative Lösungen gesucht wurden und wer im Unternehmen letztlich die Entscheidung zur Schließung getroffen hat.

Dass diese lediglich der Coronakrise angelastet werden kann, wird intern bezweifelt. Überlegungen zu einem noch früheren Ende kursierten in der Universal Edition dem Vernehmen nach bereits vor Ausbruch der Pandemie.

"Der Realität stellen"

Covid habe den wirtschaftlichen Druck erhöht, teilte Geschäftsführer Stefan Ragg am Mittwoch auf Anfrage des STANDARD mit. Die Weiterführung sei nicht mehr möglich. Auch Umstrukturierungsmaßahmen, sowie die Einführung eines Web-Shops hätten die Entwicklung nicht aufhalten können. Die Universal Edition habe den Betrieb in den vergangenen Jahren finanziell stark unterstützt, müsse sich jedoch der wirtschaftlichen Realität stellen.

Gegründet wurde die Mayrische 1592. Seit 1919 versorgte sie ihre Kunden von der Theatergasse aus mit Musikalien. Seit 1994 ist sie in Hand des Musikverlags.

Konkurrenz aus dem Internet

Die Branche wird seit Jahren hart gebeutelt. Illegale Noten-Downloads aus dem Internet saugen Umsatz ab. Mächtiger legaler Rivale ist Amazon. Kunden lassen sich im Fachhandel ausgiebig beraten. Gekauft wird der Bequemlichkeit halber trotz gleicher Preise lieber online. Im Unterrichtswesen florieren zudem traditionell die Kopien, was den Absatz an Notenausgaben bremst. Junger musikalischer Nachwuchs macht sich in Zeiten üppiger Freizeitangebote aber ohnehin zusehends rar.

Corona brachte eine weitere Zäsur. Sie treibt neben dem Einzelhandel Musikverlage in die Bredouille. Der gestoppte und nur zögerlich anlaufende Betrieb der Opern- und Konzerthäuser lässt den Notenverkauf einbrechen. Wichtige Einnahmequellen aus Aufführungen und Lizenzrechten versiegen. Das reduziert den finanziellen Spielraum der Verlage, Bereiche abseits des Kerngeschäfts am Leben zu erhalten.

Unsubventionierte Kulturbetriebe

Hilfe aus der Politik gibt es für die Branche bis auf Kurzarbeit keine, erzählt Peter Pany, Eigentümer des Verlags und der Wiener Musikalienhandlung Doblinger. "Wir sind unsubventionierte Kulturbetriebe."

Für zusätzliche Förderungen fehle es seinen Mitstreitern und ihm an Eigenkapital. Er sei seit 35 Jahren in der Branche, er könne sich an kein Jahr erinnern, in dem es genug finanzielle Reserven gegeben hätte, um staatliche Förderkriterien zu erfüllen. Überdies fließen, wie er sagt, alle Einnahmen zurück in die Produktion österreichischer Musik – in Komponisten, denen bisher kein Weltruhm vergönnt sei, die aber jedes Recht auf Unterstützung hätten.

Und er kämpfe unaufhörlich darum, seinen Musikalienfachhandel über die Runden zu bringen. "Ich hoffe, wir schaffen es." Im Schatten der Krise reduzierte er die Öffnungszeiten in den vergangenen Monaten auf täglich vier Stunden. Ab September werden es sechs. Der Papierverkauf an Noten brach um die Hälfte ein. Neben österreichischen Musikern ließen Touristen aus: Japanische Reisegruppen fehlten als Laufkunden ebenso wie Chöre.

Lange Nachwehen

Letztlich werden sich die Folgen der Turbulenzen für den Markt erst in ein bis zwei Jahren zeigen, warnt Pany: Dann wenn sich der Rückgang der Aufführungen bei den Verwertungsgesellschaften niederschlage und mit den Komponisten und Verlagen abgerechnet werde.

Neben Doblinger bedient Musik Müller, eine zweite, kleinere Tochter der Universal Edition den Wiener Musikfachhandel. Im Gegensatz zur Mayrischen soll sie erhalten bleiben.

Strategisch nachvollziehen kann Pany die Entscheidung zulasten Salzburgs nicht. Schließe die Mayrische, liege der Fachhandel in ganz Westösterreich brach. "Das ist ein schwerer Schlag." (Verena Kainrath, 27.8.2020)